Menschen in unserer Gemeinde: Anneliese Klare

Anneliese Klare    >> aus dem Riesengebirge 1946 vertrieben!!

Frau Klare (geb. Friedrich) lebt seit fast 70 Jahren in Ramelsloh. Geboren wurde sie 1929 in Boberöhsdorf/Kr. Hirschberg im Riesengebirge. Bei einem Besuch von Ingo Pape und Renate Grote erinnert sich Frau Klare an ihre alte Heimat, ihre Vertreibung und an die erste Zeit in Ramelsloh: Im Juni 1946 wurde Anneliese Klare zusammen mit ihren Eltern und ihrer Schwester von den Polen aus ihre Heimat vertrieben. Vom Krieg hatten sie wenig mitbekommen bis auf die Kriegsverwundeten, die in ehemaligen Hotels der Umgebung medizinisch versorgt und gepflegt wurden. Nach Kriegsende lebten sie noch ein Jahr lang unter polnischer Verwaltung. An dieses Jahr hat Frau Klare schlecklichste Erinnerungen. Die Polen übten Rache an den Deutschen. Sie plünderten ihre Häuser und Grundstücke. Die Frauen und Mädchen lebten in ständiger Angst vor Vergewaltigung. Sie fühlten sich als „Freiwild“. Mit Peitsche und Gewehr bewaffnet versetzten die Polen die Deutschen in Angst und Schrecken. Schließlich wurden sie 1946 aus ihrer Heimat und ihren Häusern vertrieben. In selbst genähten Rucksäcken aus Bettwäsche mit Trägern aus Handtüchern verstauten sie wenige Habseligkeiten, wie z.B. Bettzeug und Wäsche zum Wechseln. Den Proviant trugen sie in Schulranzen vor der Brust. So machten sie sich aus ihrem Dorf zu Fuß auf den Weg nach Hirschberg zum Bahnhof. Eine sehr alte schwere Bibel mit deutscher Schrift ging auch mit auf die Reise, das war Anneliese Klare sehr wichtig. Später übergab sie die Bibel einem Museum in Aalfeld. In einem Viehwagon mit insgesamt 36 Deutschen, darunter Nachbarn und Verwandte verließ die Familie Friedrich unfreiwillig ihre Heimat in Schlesien mit unbekanntem Ziel. Die Befürchtung, dass die Reise nach Osten gehen könnte, erfüllte sich zum Glück nicht. Nach acht Tagen mit wenig Essen und Trinken erreichten Sie schließlich Winsen/L.Ihre weißen Armbinden, die sie als Deutsche kenntlich machten, warfen sie beim Grenzübergang Helmstedt aus dem Wargon. In Winsen/L. waren sie in einer geräumten mit Strohlagern versehenen Viehhalle untergebracht. Nach einigen Tagen ging die Reise weiter nach Ramelsloh. Ewald Bostelmann holte sie ab und brachte sie zum Gasthaus Scharfenberg. Dort schliefen sie eine Nacht auf dem Heuboden. Am nächsten Tag nahm der alte Bauer Beecken sie mit auf seinen Hof unter der Maßgabe, dass sie bereit waren, auf seinem Hof zu arbeiten.

Der Vater von Frau Klare war Stellwerksmeister. Er fand bald Arbeit im Steller Stellwerk und zog einige Jahre später mit seiner Frau dorthin. Frau Klare wurde auf dem Hof Buur angestellt. Ihre Schwester suchte sich Arbeit in Winsen/L.. Obwohl Frau Klare nie hungern musste, war die erste Zeit in Ramelsloh doch von Entbehrungen geprägt. Es gab wenig Kleidung. Der Schuster Eddelbüttel fertigte für sie Schuhe aus ihrem alten ledernen Schulranzen an. Unvergessen blieb auch der besondere Herd, auf dem die Eltern zuerst kochten. Das war ein umgestülpter Kochtopf auf einer Blechplatte. In den Topf war eine Öffnung geschnitten. So konnte der Kochtopfinnenraum mit Kleinholz befeuert werden. Oben auf dem Topfboden wurde dann in einem zweiten Topf gekocht. Rückblickend stellt Frau Klare fest, dass das Verhältnis zu den Beeckens wie zu anderen Nachbarn immer gut war, und so ist es auch bis heute geblieben. Frau Klare fühlte sich in Ramelsloh gut aufgenommen. Bald lernte sie ihren späteren Mann Günther Klare kennen. Er arbeitete auf dem Nachbarhof. 1951 wurde geheiratet, und 1961 bezog das Ehepaar Klare das eigene Haus in Ramelsloh. Im selben Jahr wurde ihre Tochter geboren. Dreimal besuchte Frau Klare inzwischen ihre alte Heimat. Dort lebte noch eine Cousine von ihr. „Schlesien ist und bleibt meine Heimat, aber in Ramelsloh bin ich zu Hause“.

Mit dieser Aussage von Frau Klare endet unser interessantes Gespräch.

Interview im Turmhahn:
Ingo Pape im Nov. 2015

 

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