Elektrischer Strom aus dem Seevewerk

Elektrischer Strom aus dem Seevewerk

Es ist schon über 100 Jahre her, dass man in Ramelsloh über Elektrizität in den Häusern nachgedacht hat. Unvorstellbar im Vergleich mit den heutigen Gegebenheiten. Die Zeit der Petroleumlampen sollte durch die Glühbirne ersetzt werden.

Am 3.Mai 1910 wurde die GmbH Elektrizitätswerk Ramelsloh – Harmstorf gegründet mit dem Ziel: Strom zu erzeugen. Maßgebliche Initiatoren war zu der Zeit Lehrer Heinrich von der Ohe und Wilhelm Jobmann, sie waren dann auch Auftraggeber für den Bau des E-Werkes, am 1. 2. 1911, an die Herforter Firma Bockelmann & Kuhlow. Für den Wasser- und Geländebau wurde die Firma Wilhelm Eddelbüttel aus Ramelsloh herangezogen. Die 3 Dynamos, Batterien und Turbine wurden durch B & K im Gesamtprojekt mit angeboten.

Zuvor waren die Staurechte der „Wiesenberieselung-Genossenschaft von 1848“ erworben. Daraufhin wurde die Berieselungsschleuse Ramelsloh-Harmstorf aufgegeben und für das „E-Stauwerk“ umgerüstet.

Zahlen zum E-Werk, welches am 17.11.1911 in Betrieb genommen wurde:

Die Stauhöhe von 1.40 m lies einen Durchfluss von etwa 5.500 Liter Wasser in der Minute zu. Bis zu 75 PS war die Höchstleistung der Turbine, normale Auslastung jedoch nur 50 PS.

… Bild: angestaute Seeve links der Turbinenraum

Eine Werkszeichnung (1:50) vom 3. 3. 1911 liegt mir vor.

„Elektizitätswerk Ramelsloh – Harmstorf  m.b.Haftung“  

 Unterzeichner und Auftraggeber sind Wilhelm Jobmann und Heinrich von der Ohe.

Sie waren die Hauptorganisatoren des E-Werkes. Sie sorgten dafür, dass 50 Gesellschafter (Ramelsloh 37 und Harmstorf 13) für ein Startkapital von 60.000 Gold-Mark zeichneten. Außer den Wohnhäusern der Gesellschafter wurden weitere 17 Wohnhäuser in Ramelsloh und 10 in Harmstorf angeschlossen. So berichtet die Harmstorfer Chronik.

Zur Information: Ramelsloh zählte damals ca. 650 Einwohner mit 120 Haushalten. Zunächst schlossen sich die Bürger recht zögerlich an. Doch bald stellte man fest, wie günstig der „Seeve-Strom“ war, bei hoher Petrolium-knappheit und schlechten Carbid-Lampen.

In der Werkswohnung lebten ab 1914 der Maschinist Peter Buhr mit seiner Frau Frieda (Bild) und den Söhnen „Seeben Hans und Erich“ bis 1944. Als Angestellter der Firma Bockelmann & Kuhlow wurde Friedrich Gößling  technischer Leiter des E-Werks. Er entdeckte schnell die Marktlücke, machte sich selbstständig und sorgte dann auch für die fachgerechten Hausanschlüsse.

Neben der Versorgung der Haushalte mit Licht, konnte man nun auch Kraftstrom erzeugen. Dieses jedoch nur mit begrenzter Kapazität. Wenn also mehrere Elektomotoren liefen gab es Probleme. Dafür gab es „Bedingungen für die Lieferung von Elektrischen Strom“. Hier war auch festgeschrieben: Motoren über 8 PS müssen angemeldet werden. Während der Dunkelstunden ca. 18.00 Uhr z. B. kein Betrieb von Motoren über 3 PS. Wurden diese Bedingungen nicht eingehalten hatten die Haushalte wieder Tranfunzeln bzw. nur wenig glühende Fähden in ihren 5 Watt Glühbirnen. Vertragliche Lieferung von Strom waren auf 15 Jahre zugesichert bei einem Strompreis von 0.30 Mark pro KW/h.

Hauptabnehmer waren die Mühlen Aldag in Harmstorf und Buhr in Ramelsloh.

Im Zuge dieser Aufbaujahre wurde auch die Straße nach Harmstorf und eine Holzbrücke über die Seeve gebaut. Anfang der 1950ger Jahre wurde die Holzbrücke durch einen Betonbau ersetzt und feierlich eröffnet.

Blick von Harmstorf mit Weg und Brücke

 

Ab 1919 kamen die Orte Ohlendorf, Helmstorf und Lindhorst ans Seeve-Stromnetz.

1925 wurde der Stromverbrauch so groß, dass man einen Dieselmotor dazuschalten musste. Nach der Übernahme des Werkes 1928 durch das Überlandwerk Nord Hannover, die es 1939 aufkaufte. Dann erfolgte 1941 die Umwandlung in einen „Elektizitätsverband Stade“. Während des Krieges wurde die „Stellung“ in Ramelsloh und deren Ortungsgeräte noch mit Seeve-Strom versorgt in eigens dafür verlegten Leitungen.

Erst 1950 kaufte eine Interessengemeinschaft, namentlich unter anderen die Ramelsloher Albert Scharfenberg und Emil Hofmann das Werk. Grund: das ÜNH wollte keinen Strom aus Wasserkraft. Scharfenberg betrieb dort dann einen Mühlenbetrieb unter der technischen Beratung von Emil Hoffmann.

Noch bis 1954 wurde Strom mit Wasserkraft erzeugt. Viele Ramelsloher erinnern sich noch an die vielen Stromausfälle und Schwankungen in dieser Zeit.

Ingo Pape

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