Eine Papeiermacherherberge in Ramelsloh
Nach dem größten Brand der Ortsgeschichte von 1885 dem 29 Gebäude zum Opfer fielen, war auch das alte „Küsterhaus“. Auf den damalige Stiftsküster, Ulrich Schwarzkopf, hatte die Berechtigung für eine „Schankwirtschaft“ und einer „Kornbrennerei“ erworben. Heimatforscher Walter Schwarzkopf, ein Nachfahre, fand heraus, dass er auch Herbergsvater der „Papiermachergesellen“ war. Die Gesellen auf „Schusters Rappen“ waren zu damaligen Zeit zwischen den vielen Papiermühlen in Deutschland unterwegs. Unser Herbergs-vater hat im Jahre 1824 ein Fremdenbuch geführt bis 1860, also vor etwa 200 Jahren. Ein Geselle aus Bayern gab ihm die Anregung: „Kann der Geselle nicht schreiben, solle der Wirt es für ihn tun“! Nach 23 Jahren kam er wieder in die Herberge und war sehr erstaunt über die vielen Eintragungen. Die Gesellen kamen aus dem hohen Norden, Bayerns und Österreich
Warum gerade Ramelsloh als Herbergsort ? Zunächst waren es verwandtschaftliche Beziehungen. Dann die Lage: Ramelsloh war der halbe Weg zwischen zwei großen Papiermühlen: Staersbeck bei (Hollenstedt), Moisburg, Appelbeck, Altkloster einerseits und Ohlendorf, Pattensen, Bahlburg Reppenstedt und Hasenburg bei Lüneburg andererseits.
Warum schreibe ich nun über dieses „Fremdenbuch“ ( Gästebuch) ?
1934 hatte Walter Schwarzkopf das Buch von Albert Scharfenberg in die Hände bekommen. Er zählte damals 725 Eintragungen, von Gesellen aus ca. 130 Papiermühlen in Deutschland und umliegenden Ländern. 35 Jahre lang abenteuerliche Eintragungen über Wege, Wetter und Erlebnisse füllen die handgeschriebenen stark vergilbten Seiten und Blätter. Der Heimatkundler entzifferte die vielen Eintragungen, entdeckte schöne Verse, Gedichte die die aussterbende Kunst der Papiermacherei seiner Zeit umtrieb.
Viele dieser Verse und Gedichte schrieb er auf. Zum Schluss seines langen Berichtes stand der Satz: Ich las es, studierte es und entriss ihm durch diese Mitteilungen seine Vergangenheit.
Ein paar Kostproben aus dem Fremdenbuch:
„Wer auf das Glücke baut und einem Mädchen traut, der ist betrogen.“
„Ich liebe was fein ist, und wenn es gleich nicht mein ist und auch nicht mein werden kann, so hab ich doch mein Freud daran.“
„Wenn Teufel beten, Engel fluchen, Katz und Mäuse sich besuchen, alle Mädchen keusch und rein, mag ich kein Papiermacher sein.“
„Lobet die Berge und bleib in der Ebene, Lobet das Meer und bleib auf dem Lande, lobet den Ehestand und bleib ledig.“
„Wer Äpfel schält und sie nicht isst; beim Mädchen steht und es nicht küsst; beim Weine sitzt und schenkt nicht ein, der muss ein dummer Teufel sein!“
„Da singt die Lerche auf dem Feld, da schlägt die Nachtigall, man hat viel oder wenig Geld, man weiß von keiner Qual.“
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Die Aufzeichnungen liegen mir vor, wahrscheinlich ein Artikel aus den Heimatglocken der 50er Jahre. Auch das Fremdenbuch war danach im Besitz der Scharfenbergs und völlig in Vergessenheit geraten.
Durch einen Zufall ist mir das Original des Fremdenbuches überreicht worden. Nach einer Vorstellung im Gemeindearchiv Seevetal werde ich es einem Gutachter übergeben.
Ingo Pape