„Ägidiusmarkt“ in Ramelsloh

’n bäten wat to verklären ober den Äsidienmarkt in Ramsl

 

to’n eersten:  

Wokeen is Ägidius ? (Dutt steihtin’n grooden „Brockhaus“ 🙂
Ägidius war Abt von’St. Gilles in der Provence, gestorben um 723, war einer der 14 Nothelfer, dargestellt mit Hirschkuh.
Der Hlg. Ägidius gilt als Patron der stillenden Mütter und auch des Viehes. Sein Namenstag ist der 1. September.

to’n tweeten:

Wat hett dat mit den Ägidiusmarkt up sick ?

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts waren die (Bauern)höfe in Ramelsloh und auch viele aus der Umgebung dem Stift Ramelsloh zinspflichtig. Der Zins, d. h. die zu leistenden Abgaben, war in Naturalien zu entrichten. Jeweils am Dienstag nach dem Ägidientag (auch Egidientag) kamen alle zinspflichtigen Bauern zusammen, um ihren Kornzins abzuliefern. Als Maß diente der Himpten (auch Himten) , ein Hohlmaß. (Ein Himpten Roggen = ca. 42 Pfund) Wenn das Korn vermessen war, gab der 1. Pastor für die Bauern eine Mahlzeit. Diese war allein für die Zinspflichtigen vorgesehen; aber nach und nach brachten die Bauern auch ihre Frauen und Kinder, dann auch die Knechte und Mägde mit. Es wurde ein großes Fest daraus, das sich mit den Jahren zu einem großen Markttrubel entwickelte.
Das Stift versuchte darum durchzusetzen, daß die Bauern ihren Zins in Geld bezahlen sollten, und die große Mahlzeit sollte wegfallen. Das aber wollten die Bauern nicht. Hierüber entstand ein Rechtsstreit, der immerhin 12 Jahre dauerte und selbst das „Oberappellationsgericht in Celle“ beschäftigte. Nachdem aber der Kirchmeßtag (Ägidienmarkt) sich immer stärker zu einem
allgemeinen Volksrummel entwickelt hatte (auch mit Schlägereien), wurde der Ägidienmarkt 1846 von der Behörde verboten.

to’n drütten:

Watför en Stück warrt hier späält?
Das „Historische Kurzspiel“ über das Ende des Ägidienmarktes in Ramelsloh -ein kleiner plattdeutscher Sketch- hat der in Ramelsloh geborene Otto Cordes, sen. („Otti“) für den heutigen Festtag, den Erntedanktag im Jubiläurnsjahr „1150 Jahre Ramelsloh“, geschrieben. Die Personen in dem Stück werden von den bekannten Laienspielern aus der Theatergruppe des MTV Ramelsloh dargestellt.

Ramelsloh, 1. Oktober 1995   Otto Schneider

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Der Ramelsloher Agidiusmarkt
Bis zur Reformation bestand die Einnahmequelle des Klosters Ramelsloh aus frommen Stiftungen, die zu dem Zweck dem Kloster gegeben waren, damit aus ihren Erlösen verschiedene Vikarien in der Kirche unterhalten werden konnten. Jede Vikarie hatte in der Kirche einen Altar, vor welchem ein Klosterbruder zu bestimmten Zeiten Seelenmessen lesen oder Gottesdienste zum Gedächtnis eines Verstorbenen halten mußte. Die Haupteinnahme des Klosters Ramelsloh bestand in dem jährlich am Dienstag nach dem Ägidiustag (1. September) fälligen Kornzins, der von den Bauern aus den Nachbardörfern einkam. Die Überbringer erhielten entweder ein geringes „Meßgeld“ oder eine freie Mahlzeit. Der Vormittag der Ablieferung verging mit dem Messen des Kornes. Durch die um zwei Uhr sich anschließende Mahlzeit, die der jeweilige Senior des Stiftes, der Pastor, zu geben hatte, suchte sich der Bauer wegen der versäumten Zeit schadlos zu halten. Bei dieser Gelegenheit wurde „ weidlich geschmauset und gesoffen“. Mit Unbe-hagen mußte aber der Gastgeber festellen, daß die Zahl der hungrigen Gäste allmählich immer größer wurde. Die alte Regel, daß zu der Mahlzeit nur der Bauer und seine Frau mit einem Kind an der Brust sich niedersetzen durfte, fand keine Beachtung mehr.

Klagend bekannte der Pastor: „Der kornbringende Zensite kommt nicht allein mit Frau und Kind und einem Knecht als Fuhrmann, es müssen auch Aufwärter und Musikanten mit gespeist werden, weil die Bauern nach dem Essen tanzen, und ist dieser Kirchmeßtag der besten Bauernhochzeit gleichzuachten „. Nach einer Unkosten-berechnung aus dem Jahre 1731 wurde folgendes angeschafft: Eine halbe Tonne Broyhan, 15 Kopf Weißkohl, 2 Pfund Butter, 2 Pfund Reis, Pfeffer und Ingwer, für einen guten Groschen und 6 Schilling Tobak, 50 Liter Bier, ein gemästetes Ferkel, ein feter Botel und ein Schaf, l Himten Korn zum Brot, l Spint Hafergrütze und l Quartier Branntwein.
Nur ganz selten kam es vor, daß die Festtafel im Krug des Untervogtes Beecken oder des Küsters Schwarzkopf hergerichtet wurde. Meistens richtete man die Diele des Pastorenhauses dazu her. Dabei wurde dann auch getanzt, und dabei – so wird berichtet – rauchten die Männer ihre Tobakspfeifen. Bei Anbrach der Dunkelheit verzog man sich ins Küsterhaus, welches mit einer Krugnahrung (Gastwirtschaft) verbunden war, und konnte hier bis zum nächsten Morgen ungestört feiern. Auf dem Domplatz hatten umherziehende Händler Buden aufgebaut und verkauften Schuhe, Tuche und Sattlerwaren. Der Gastgeber, dem dies alles nicht gefiel, konnte sich kaum gegen diese althergebrachte Sitte sträuben. Als aber nach 1800 das Verhältnis zwischen Bauern und Zinsherrn sich, sowohl weltlich als auch kirchlich, aufgrund der politischen Entwicklung veränderte, begann von beider Seiten ein langwieriger Federkrieg. Anklagen über Anklagen liefen bei der Behörden ein. In einer Beschwerde vorr 24. Juni 1805 wandte sich der derzeitige Pastor Franke an das Oberste Gericht in Celle. Er wünschte, daß die Kornlieferanten statt der Mahlzeit mit 8 Gutengroschen abgefunden werden. Er zählte noch einmal die Kosten des für 210 Personer (darunter 6 Musikanten) hergerichteter Festschmauses auf. Es wurden verzehrt 2 fette Schweine, 8 Hammel, 26 pfunc, Reis zur Milchsuppe, ein Himten Weizen-nehl zu Klößen, ein halber Himten Hafergrütze für die Wurst, ein Himten Birnen und 26 Quart Bieressig zu Schwarzsauer, 12 Pfund Butter, 7 Himten Roggen zu Feinbrot, 2  Tonnen Bier und 14 Quart Branntwein. Auf Kartoffeln wurde gern verzichtet.
Auch an Übergriffen fehlte es nicht. So Behauptete ein Ohlendorfer Bauer nach vollbrachter Mahlzeit und gut zugesprochenem Trunk seinem Wohltäter gegenüber: „Du hest mi hier gornicks to seggen!“ Diesen Worten soll er handgreiflichen Nachdruck verliehen haben.

Die Behörde kam zu dem Entschluß, diese Kostgeberei aufzuheben. Einige Jahre später kam das Ablösungsgesetz, und die Bauern nahmen die Gelegenheit wahr, ihre Naturalabgaben in Geld zu begleichen. Jetzt blieben die kornbeladenen Wagen, die Bauern und die Händler ganz weg, und 1846 wurde in Ramelsloh der letzte Ägidiusmarkt gefeiert. Ein uralter Brauch war beseitigt worden und ist in Vergessenheit geraten.

Quelle: Harburger Kreiskalender 1935

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