Auszüge aus dem Kriegstagebuch des Lehrers v. d. Ohe aus Ramelsloh
Am 1. Oktober 1901 wurde Heinrich von der Ohe zum Lehrer in Ramelsloh ernannt. Er war am 17. November 1871 in Wichtenbeck (Kreis Uelzen) geboren. In Ramelsloh wirkte er bis Oktober 1921. Dann wurde er versetzt nach Marmstorf bei Harburg. In Ramelsloh schrieb er die Kriegstagebücher 1914 – 1918.
Der Ramelsloher Lehrer v. d. Ohe schrieb ein Kriegstagebuch vor nunmehr 100 Jahren aus dem ich berichten möchte:
Das politische Barometer sank immer tiefer und zeigte auf Sturm und Krieg. Trotzdem wollte bei uns so recht keiner an Krieg glauben. So nahte der 1. August, sonnig und schön. Um 6 Uhr abends wurde hier der Mobilmachungsbefehl an das Spritzenhaus geschlagen. Nun hatten wir wirklich Krieg. In der Nacht folgte eine weitere Bekanntmachung über die Gestellung der Dienstpflichtigen in der Landsturmstammrolle an das Spritzenhaus und diese wurde am anderen Morgen von allen gelesen. Der erste der eingezogen wurde, war ein Bautechniker aus der Zimmerei W. Eddelbüttel (Ecke Horster Landstraße) Er wurde mit einem Auto aus Winsen direkt aus der Barbierstube abgeholt. Er konnte nur noch schnell von seiner Frau Abschied nehmen und dann zog er in den Krieg. In den ersten 2 – 3 Tagen zog man etwa 70 Krieger ein. Die Zahl unserer Feinde wurde immer größer, und die Sorge um das teure Vaterland nahm für die daheim gebliebenen zu.
Am 7. August löste sich der schwere Druck. An diesem Abend traf die Nachricht vom ersten Sieg ein. Die Festung Lüttich war von unseren Hannover‘schen Truppen erstürmt. Die Angst vor Spionen machte es erforderlich Wachen an Ortsausgängen, Bahnen und Brücken aufzustellen. Straßensperren mit Ketten für Autos und Fahrräder wurden errichtet, auch Unbekannte die einen Rucksack trugen kontrollierte man. Nachts liefen bewaffnete Posten durch das Dorf, da viele Häuser ohne männlichen Schutz waren. Nach einigen Wochen stellte man diese Maßnahmen wieder ein. Nach dem Einzug des zweiten Lehrers (Meyer) musste der 1. Lehrer v. d. Ohe alle 3 Klassen versorgen. Er war zu Beginn des Krieges 42 Jahre und felddienstfähig seit Sept. 1914, jedoch für unabkömmlich freigestellt von der Schulbehörde bis 11/1916 . Entlastung gab es erst, als die Oberklassen zur Feldarbeit angewiesen wurden. Sie erhielten 12 Stunden Unterricht und die Unterstufen nur 6 Stunden. Der zweite Lehrer war Otto Meyer, der in Januar 1914 mit 28 Männern den MTV Ramelsloh gegründet hatte und Turnwart wurde.
So schildert der Lehrer wie die Ramelsloher Schulkinder eingebunden wurden, um durch unterschiedliche Aktionen Geld für die Kriegskosten und Kleidung für die Soldaten zu beschaffen:
„Auch die Schule wollte nicht fehlen und suchte die letzten Goldstücke zusammen. Es beteiligten sich 31 Kinder daran. Die Sammlung ergab 1.460 M. Mit der Lehr-ersammlung kamen so 2460 M zusammen. Die Mädchen nähen und stricken: Schon im Winter 1914/15 fehlte es der Heeresverwaltung an Wollsachen. Für den Handarbeitsunterricht in der Schule wurde angeordnet, dass in den Stunden genäht und gestrickt werden sollte für die Soldaten. Gefragt waren Pulswärmer, Strümpfe, Kopfschützer, Kniewärmer, Leibbinden und dergleichen. Auch Hemden aus Flanell wurden angefertigt. Drei große Kisten packte man voll mit Wintersachen, die dann nach Hannover ge-schickt wurden. Durch Sammlungen im Dorf für freiwillige Gaben brachten Mädchen weitere 150 M. Sammeln von Ähren, Brennesseln, Kirschen– und Zwetschgensteinen; um kein Roggenkorn umkommen zulassen, sammelten die Schulkinder im Sommer 1916 die Ähren auf dem Felde. Diese Sammlung ergab 150 Pfund reinen Roggen.
Der Erlös dafür wurde dem Roten Kreuz überwiesen. Im Sommer 1915 wurde auf Anordnung der Regierung auch die große Brennnessel gesammelt. Die Bastfaser derselben ist spinn– und webbar. Die Kinder schleppten einen großen Haufen davon zusammen. Auf dem Kirchhof wurde sie zum Trocknen ausgebreitet. Leider verdarb etwa die Hälfte durch den anhaltenden Regen. Es blieben noch 61 Pfund übrig. Diese wurden zur Sammelstelle nach Salzhausen abgeführt. Die Sammlung von Kirschen- und Zwetschgensteinen dienten der Ölgewinnung. Die Kinder sammelten ca. 120 Pfund – das Gesammelte wurde dann zur Sammelstelle in Marxen gebracht. Die Kinder sammelten für Stiftungen und haben sogar ihre eigenen bescheidenen Ersparnisse geopfert, das alles für des Kaisers Wunsch ein Kriegsschiff zu bauen.
Die Kinder packten zu Weihnachten Feldpostpakete für die Ramelsloher Soldaten. Kriegsanleihen ab 100 M wurden ausge-geben in den Schulen durch Lehrer und Sparkassen.
Soweit die Aufzeichnungen von Lehrer v. d. Ohe über – wie er schreibt –„Kinder im Dienst für das Vaterland“.
Ingo Pape