Die Gilde zu Ramelsloh

„Die Gilde zu Ramelsloh“

aufgeschrieben von Walter Schwarzkopf in den 50ger Jahren. Originaltext aus den „Heimatglocken“.

In der Feldmark Ramelsloh gibt es ein Flurstück, das den Namen „de Gillwisch“ trägt, hochdeutsch „die Gildewiese“. Dieser Flurname ist alt und ist abzuleiten von der einst in Ramelsloh bestehenden Gilde, die wieder aus einer alten Kalandsbrüderschaft entstanden ist. Was war eigentlich ein Kaland? Kurz gesagt, eine christliche Notgemeinschaft. Wann und wie Kalandsbrüderschaften, später einfach Gilden ge­nannt, ursprünglich entstanden sind, ist zweifelhaft. Hammerstein-Loxten hält in seinem „Bardengau“ den Kaland für „eine aus grauer Vorzeit in das Ende des Mittel­alters hinübergetragene Einrichtung“. Der Kaland übernahm nach diesem Forscher die Gesamtbürgschaft für Bußen und Wergelder. Er wandelte sich später in eine Gemeinschaft zur gegenseitigen Hilfe bei eingetretener Not und bei Unglücksfällen. Guido List sieht dagegen (im Uebergang vom Wotanismus zum Christentum) in den Kalandsbrüderschaften ursprünglich heim­liche Bewahrer des altgermanischen Wo­tansglaubens und meint, daß sie schon im 5. Jahrhundert bestanden haben. In unserer Gegend erlebten jedenfalls die Kalandsbrüderschaften ihre Blüte in christ­licher Zeit. Sie trugen durchaus ein christ­liches Gepräge, waren aufs engste mit der Kirche verbunden und zeugen von brüder­licher Gemeinschaft zwischen Klerikern und Laien.

Selbst die Reformation ließ diese Ein­richtung bestehen, obgleich Luther den Kaland nicht sonderlich liebte, da sich ein Verfall und eine Verweltlichung in den Brüderschaften bemerkbar machte. Luther sagt z. B. einmal: „Ich will keine solche Gesellschaft wie unser löser Kaland und der Mönche Brüderschaft“. Im 16. Jahr­hundert ging es in den Kalandsversammlungen bisweilen recht feucht-fröhlich zu. Standesunterschiede fielen fast gänzlich fort. Ein Satyriker dieser Zeit, Prof. Jo­hann Laurenberg, spottet einmal in fol­genden niederdeutschen Versen über die Versammlung eines Kalands:

„Mester Hans sit baven, Herr Hans sit unden / Wen wi in unsem Kaland werden gefunden.“

Die Verweltlichung zeigte sich besonders in den Städten. In Ramelsloh hat der Ka­land seine kirchliche und christliche Ein­stellung, bis zu seinem Ende bewahrt. Erst 1886 wurde hier die Gilde endgültig aufge­löst. Dem gelehrten ramelslohischen Dom­herrn Johann Justus Kelp verdanken wir die Aufzeichnungen nicht nur über den ramelslohischen Kaland, sondern die Mit­teilungen über das Kalandswesen in Nie­dersachsen überhaupt. Sein 1702 verfaßter Aufsatz, der sich in seinem handschrift­lichen Nachlaß fand, war wie folgt be­titelt:

„Ohnmaßgeblicher historischer Bericht von der sogenannten Kaland-Brüderschaft in Deutschland bevor ab Niedersachsen als Hamburg, Lüneburg, Stade, Rothenburg, Rameschloh und Lüchauw.“

Kelp leitet die Entstehung des Kalands von Ansgar ab und glaubt, daß Kloster und Kaland gleichen Alters sind. Am Buß­tage wurde Gilderechnung gehalten. Haus­wirte, die neu in die Gilde eintreten woll­ten, wurden am genannten Tage vom Gilde­herrn „eingeklopft“. Beim Eintritt „in die Tür des Gemaches, wo die Kaland-versammlung gehalten wurde“, bekam ein jeder der Aufzunehmenden von dem Gildeherren „mit einem kleinen weißen Stecken gar sanft drei Schläge auf die Schulter“. Mit den Worten „willkommen, Gildebruder“ wurde der Kandidat aufgenommen.

Nach beendigter Rechnungsablage mußten die Aufgenommenen „handeln“, d. h; sie muß­ten im Küsterkrug (heute Scharfenbefgs Gasthaus) den Gildebrüdern Schnaps und Bier verabfolgen. Nach den Kelpschen Aufzeichnungen be­standen Pflicht und Gebühr der Geldenossen in folgendem:

  1. Einander bei Todesfällen bestmöglichst
  2. Sorge zu tragen, daß der Tote nach der
    Sitte begraben wurde.
  3. Dielen zum Sarge zu beschaffen und die
    Begräbnisgebühr zu zahlen.

Das waren die vordringlichsten Auf­gaben der Gilde.

  1. bezahlt der  Kaland   die  Unkosten   für“
    Oblaten, Wein  und  Altarlichter in  der
    Kirche zu Ramelsloh.
  2. „Der Kaland lasset das Gestühl für die
    Juraten (Kirchenvorsteher) fertigen“.
  3. „Er hält das Positiv imstande“ (die Orgel).
  4. „auch das Schulgebäude“.
  5. „verschafft Stricke zu den Glocken“.
  6. „hilft auch,   wenn   Wege,   Schlagbäume
    zu bessern sind, ingleichen wenn Eicheln
    zu säen oder Hester (junge Bäume) zu
    pflanzen sind.“

Insgesamt gesehen stellte also der Ka­land in Ramelsloh eine schöne christliche und dörfliche Fürsorgegemeinschaft dar 1658 zählte der Kaland 112 Angehörige. Der Besitz und die Einkünfte der Gilde be­standen:

  1. aus einer Wiese, eben der obengenannten
    Gildewiese, die   im  Flurnamen  weiter­
    lebte;
  2. aus Saat-Ländefeien;
  3. aus Zinsen von ausgeliehenen Kapitalien-
  4. aus sog. halben und ganzen Begräbnis­
    gebühren.

Ein alter Grundsatz der Gilde, der schon sprichwörtlich geworden war, hieß „Kalandgüter dürfen nicht verringert werden.“

Im 19. Jahrhundert ging die Bedeutung der Gilde mehr und mehr zurück, bis sie
1886 ganz aufgelöst wurde. Das Kapital wurde zum Besten von Kirche und Schule
aufgeteilt, die „Diekwisch“ und die „Gilnwisch“ wurden verkauft. An dem Vermögen
der Gilde waren ursprünglich beteiligt: 9 Halbhöfe, 16 Kothstellen, 4 Domherrn-stellen, die Pfarrstelle, die Küsterstelle, die Schulstelle.

W. Schwarzkopf.

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