Hausschlachten – „Schlachteköst“ in Ramelsloh
In Ramelsloh waren in der Nachkriegszeit noch vier Hausschlachter aktiv, Karl Weniger, Hermann Rieckmann (jun. und sen.) und Richard Peters. In Ohlendorf waren es Adolf Maack (Heicks Vadder, er verwendete kein Bolzenschussgerät, bei ihm erfolgte die Betäubung noch mit einem Holzhammer) und Erich Weseloh. Alle hatten in der Schlachtsaison im Winterhalbjahr viele Termine mit meist zwei Schlachtstellen pro Tag. Erste Schlachtung 7.00 Uhr Wurst machen um ca. 12 Uhr. Zweite Stelle 9.00 und 15.30 Uhr.
Schlachter Rieckmann sen. bei Ernst Schwarzkopf
Der Schlachttrog wurde meist schon am Vortag bereit gestellt. Ausgerüstet mit schwerer, langer Schürze und Gummistiefeln, mit zünftigen Schlachterhemd und Schirmmütze ging man nach gutem Frühstück ans Werk. Das Schlachtschwein wurde aus dem Stall getrieben, auch mit Gewalt, damit die Nachbarn das quieken hören konnten. Die vorher organisierten Helfer (mind. 3) zerrten das Borstenvieh auf die Schlachtbank, ein umgedrehter Trog. Einige Ferkelstricke erleichterten die Arbeit. Der bereitgelegte Bolzenschußapperat erledigte zunächst schnell das Gröbste, die Betäubung. Jetzt wurde der Kopf des Tieres über den Rand des Troges hinaus gezogen und der Schlachter zog ein scharfes Messer aus dem am Gürtel befestigten Köcher mit div. Messern. Ein gezielter Stich und das Blut floss warm über den Arm des Blutrührers in einen bereitstehenden Eimer. Das war dann auch der Todesstoß für das Schwein. Die rote Flüssigkeit wurde schlank gehalten durch ständiges rühren. War das Tier ausgeblutet, drehte man den Trog und das Schwein lag zunächst auf der Seite. Aus dem Waschkessel wurde nun brühendheißes Wasser in Eimern herbeigeschafft. Die Borsten wurden „barbierfertig“ gemacht. Jeder Schlachter achtete auf heißes Brühwasser, damit die Arbeit mit der Borstenglocke einfacher wurde. Viel Sorgfalt war erforderlich denn die Lichtverhältnisse waren zumindest morgens nicht die allerbesten. Die „Borstenglocke“ hatte einen Haken am oberen Ende, damit wurden dem Schwein die „Schuhe ausgezogen“.
Nach dieser Prozedur wurde das Tier, jetzt auf dem Rücken liegend, an den Hinterbeinsehnen mit Hilfe eines „Krummholzes“ an einer Leiter oder an einem Flaschenzug aus dem Trog gezogen.
Der Kopf hing dann noch im Trog, wenn die Feinarbeit des Borstenentfernens mit scharfem Messer in die Schlußphase ging. Danach stellt sich der Schlachter breitbeinig auf die Seitenteile des Troges, bei Kälte natürlich ins warne Wasser damit die Füße wieder warm wurden, und schlitzte das Tier bauchseitig, mittig von oben nach unten auf. Jetzt gab es erst einmal einen Grog. Das wichtigste für die Wurstherstellung waren die Därme die nun herausquollen und in eine bereitstehende Molle fielen. Die Reinigung war sehr wichtig und aufwendig. Sie wurden gedreht und ausgeschabt und Feingereinigt mit Essig und Salz. Der Enddarm für die Mettwurst die als erstes gemacht wurde, den Dünndarm für Leber- und Grützwurst, Der Magen noch für die Sülze usw.
Flomen, das Fettgewebe der Bauchhöhle, wurde noch zum trocknen aufgehängt (Flomenstock) zur Weiterverarbeitung am nächsten Tag zu Schmalz bzw. leckerem Griebenschmalz.
Das Fleisch sollte jetzt auskühlen, jedoch nicht frieren. Der erste Teil der Schlachterei neigte sich dem Ende. Der Grogkessel dampfte schon, als der Schlachter seine Schürze, Stiefel und sein Geschirr reinigte.
Nach einigen Tipps für den zweiten Teil am Mittag wurden bei einem Grog erteilt, bevor der nächste Haushalt angesteuert wurde.
Während die Frau des Hauses wieder Wasser für Koch- und Kesselfleisch bereitete, kam meist schon der Trichinenbeschauer auf den Hof. In Person Rudolf Menck. Am Vortag hatte er sich das Schwein angesehen, also eine Sichtprüfung vorgenommen. Seit dem 18. Jahrhundert ist Trichinenschau Pflicht bei Hausschlachtungen. Es handelt sich hier um Entnahme von gut durchblutetem Muskelfleisch zwischen Lunge und Herz bzw. Leber und Darm. Die Proben wurden noch vor Ort mikroskopisch untersucht. Unterdessen wurde der Trog gereinigt und zur nächsten Stelle gebracht.
Das Fleisch für die Kochwurst kochte bereits als im zweiten Teil der Hausschlachtung der Zuschnitt des Fleisches begann. Die Wurst wurde bereitet nach Rezepten und Gewohnheiten des Hauses, in Därmen, Dosen oder Gläsern. Rauchwurst, Magensülze, alles Spezialitäten die die Hausfrauen bis ins Kleinste geplant hatten. Es war eine äußerst „schmierige“ Angelegenheit, hier ein Eimer, dort eine Molle, das für den Hund jenes für die Katzen und die Vögel im Garten wurden auch nicht vergessen. Der „Steert“ an die Jacke des Briefträgers geheftet, wenn er zu lange Grog getrunken hatte, all dieses gehörte zum Schlachtefest.
Schlachter Karl Weniger
Die Nachbarn wurden mit frischer Fleischbrühe versorgt und die Kinder bekamen kleine, leckere Grützwürste gebracht, die dann gleich angebissen und sofort ausgelutscht wurden.
Den Abschluss bildete die Schinkenbereitung der gesalzen wurde und dann 3-4 Wochen im Salz liegen musste
Es ein besonderer Tag, der jedoch ein festes Ritual in der Winterzeit war. Das abendliche Schlachtefest (Schlachteköst“ war immer ein Ereignis für die ganze Familie, daran erinnert sich Lore Dörels (geb Weniger) besonders gern. Das Haus roch noch tagelang und vermischte sich mit den Gerüchen aus der Räucherkammer in der die Mettwurst und der Schinken geschmacklich verfeinert wurde, dann im berühmten Schinkenbeutel gesteckt wurde. Nur gute Buchenspäne wurde hier verbrannt.
Erst wenn der Kuckuck den Frühling ankündigte, wurde der Schinken angeschnitten.
Ingo Pape