Als es in Ramelsloh noch Michböcke gab
Über die Geschichte der Milchviehwirtschaft in Ramelsloh
Ab Herbst 2015 haben wir nur noch einen Milchbauern in Ramelsloh. Ist das ein Zeichen der Zeit oder der enorme Preisverfall der die Milcherzeuger in die Knie zwingt?
Das war aber schon einmal ganz anders, als es hier noch Milchböcke gab. Am Kiekeberg und in Hanstedt sieht man ihn noch; den guten alten „Milchbock“
Seit wann gibt es den Milchbock? —- Als im Jahre 1936 die Molkereigenossenschaft in Brackel gegründet wurde, war Ramelsloh geprägt durch landwirtschaftliche Betriebe. Je nach Größe der Betriebe hatte man damals auch die Kühe für die Milchwirtschaft. Es war auch keine Seltenheit, dass 3 Generationen unter einem Dach wohnten. So wurde die Milch für Eigenbedarf genutzt. Die Milchleistung der Kühe war sehr unterschiedlich. Die großen Betriebe die Kühe den ganzen Tag auf der Weide, ebenso die Höfe die Pferdefuhrwerke hatten. Die kleinen Landwirte mussten mit den Kühen die landwirtschaftlichen Arbeiten verrichten ( ackern, sähen, mähen, Mist fahren, Heu und Feldfrüchte einfahren uvm.) so dass die Milchleistung eingeschränkt war. Mit den Treckern kamen auch die besseren Milchleistungen. Dann gab es noch die „Einkuhhalter“, die ab 1939 auch milchabgabepflichtig waren.
Die Kühe mussten also jeden Abend und jeden Morgen gemolken werden.
Dann begann die Milchlieferung in die „Meierei“. Es wurden (20, 15 und 10 Liter) Milchkannen angeschafft. Erst die Großen später dann auch mittleren und kleinen Betriebe. Sie wurden Mitglieder der Genossenschaft erhielten eine Nummer und eine Milchablieferungskarte.
Hier trug man die abgelieferte Milchmenge ein, aber auch die Rückgabemenge an z.B. Magermilch, die man zur Viehfütterung nutzte.
Der „Milchbock“
Als Folge der Milchablieferung, die bisher in Ramelsloh bei Willi Schröder in der Engen Straße erfolgte (in Ohlendorf bei Karl-Werner Vick), mussten jetzt Sammelstellen für die Milchkannen geschaffen werden. 1963 zählten wir 12 Milchböcke in verschiedenen Ausführungen, Freistehende, in Zaun oder Mauer integrierte oder an Wänden gebaute. Die Größe richtete sich nach der Anzahl der Milchkannen. Der Milchbock ist also eine Laderampe für Milchkannen hat eine Höhe, je nach dem Milchwagen, zwischen 100 bis 140 cm. Die Oberfläche bestand meist aus festen Eichenbrettern. Eine Kanne wog bis zu 23 Kg also nicht gerade leicht zu händeln. Die Milchlieferanten schleppten die Kannen teils mit Melkrädern, kleinen flachen Milchwagen oder Karren zu den Sammelböcken. Oft standen die Milchböcke unter großen Bäumen im Schatten, damit die Milch kühl blieb.
Morgens um 7 Uhr mussten die Kannen gut gekühlt, 12-15°, auf dem Bock sein. Das Kühlen wurde oft im Wasserbad, Gräben oder Bachläufe, oder in Kellerräumen erledigt. War sie „sauer“, dann gab es einen roten Zettel an die Kanne geklebt. Kurz vor der Abholzeit brachte man die Kannen zum Bock, dann kam der Michkutscher und holte die Ware ab. Etwa bis zu 150 Kannen wurden bewegt. In der Meierei wurden sie dann gewogen und in den Anfängen noch ausgekippt, und nach Nummerierung der Kannen den jeweiligen Bauern gutgeschrieben. Ein Teil der Kannen wurde wieder gefüllt mit Magermilch oder Molke. Dann kamen alle Kannen wieder auf den Wagen und man trat den Heimweg an. (Von Ohlendorf aus nahmen die Milchwagen noch Expressgut vom nahegelegenen Bahnhof mit.) In Ramelsloh angekommen begann die Verteilung wieder auf die Milchböcke. Das ganze Prozedere musste also in wenigen Stunden erledigt sein, und war von daher schon schwerer körperlicher Einsatz. Die Fracht nach Brackel war auch für die Trecker Schwerstarbeit. Der Milchbock bei Hermann Bade sollte verlegt werden, weil das Anfahren vor dem Marxener Berg zuweilen nicht möglich war.
Man traf sich also schon früh am Morgen vor der Arbeit und so war gut Zeit für einen „Klönschnack“ Man verweilte und tauschte Neuigkeiten aus oder sprach auch nur über das Wetter. Der Milchbock war also auch ein ganz wichtiger Kommunikationspunkt im Dorfleben. Gegen 11.30 Uhr war dann Abholen angesagt, die Kannen wurden dann gereinigt, und zum Auslüften angehängt. Die Bezahlung richtete sich nach dem Fett- und Eiweißgehalt der Milch pro Liter.
Viele Milchlieferanten gehörten auch dem „Verband der Milchkontroll- und Tierzuchtangestellten in Niedersachsen“ an.
Der Milchbock, das sei an dieser Stelle noch einmal gesagt, war ein sehr beliebtes Spielgerät für die Kinder, stand er doch am Nachmittag immer zur Verfügung!
Am 1. Juli 1972 stellte die Molkerei in Brackel ihren Betrieb ein und so war dann auch die Michbockromantik vorbei. Von da an gab es Großgefäße die vom Hof direkt abgeholt und mit Saugvorrichtungen in Tankwagen gepumpt werden. Die Milch ist dann auch auf 5° gekühlt. Aus Molkereigenossenschaften wurden Milchliefergenossenschaften die nun ihre Milch geschlossen anderen Molkereien anboten.
Die Milch
Die Milch wurde ein gefragtes Objekt. Die Molkereien konnte die Milch zu Käse und Butter verarbeiten und diese Produkte nach Hamburg liefern. Bei der Verarbeitung der Milch zu Butter und Käse entstanden auch Milchabfallprodukte wie Magermilch, Buttermilch und Molke die je nach Bedarf an die Landwirte zurückgeliefert wurden zur Verfütterung an die Tiere.
Butter und Milch konnten auch bestellt und in Ramelsloh beim Kaufmann Martha Eddelbüttel (Schneers) eingefordert werden. Auch der direkte Weg über die Milchkannenrückgabe oder der Butterkiste wurde praktiziert.
Die Kühe mussten 2 mal am Tag gemolken werden. Lange Zeit war die Milch ausschließlich für den Eigengebrauch. So gab es auch jeden Abend Milchsuppe in allen Variationen, mit und ohne Nudeln, mit Zwieback oder Schwarzbrot mit Klöße uvm. Außerdem schöpfte man die Sahne ab und mit einer Buttermühle (Zentrifuge) oder einem Butterstampfer zu Butter verarbeitet. Oft stellte an auch selber Käse her, im Sommer trank man Dickmilch mit Zucker und der Rest wurde einfach so getrunken.
Ingo Pape 2016