Aus Ramelslohs vergangenen Tagen

Aus Ramelsloh’s vergangenen Tagen

   Bericht von Richard Backhaus

Unter den Orten im ehemaligen Kreise Winsen ist Ramelsloh derjenige, von dem bislang die älte­sten urkundlichen Nachrichten vorliegen und der in früherer Zeit durch sein Kloster eine bedeu­tende Rolle gespielt hat. In den alten Urkunden finden sich die verschie­densten Formen für den Namen des Ortes: Hramesloa, Haramusla, Ramsolan, Prof. Bück­mann lässt die Deutung offen, ob der Name Hramesloa von rams = Bärenlauch oder von hraban = Rabenwald abzuleiten ist.

Schon in vorgeschichtlicher Zeit war diese Ge­gend bewohnt. Lienau, der frühere Leiter des Lüneburger Museums, hat 1912 hier Ausgrabun­gen vorgenommen und dabei ein besonders inter­essantes Hockergrab aus der Steinzeit zwischen Ramelsloh und Ohlendorf freigelegt und an der Talrandstufe 17 Hügelgräber aus der Bronze- und Eisenzeit festgestellt. Im tiefergelegenen Seevetal finden sie sich nicht, da dort die Vorbedingungen für eine Ansiedlung nicht gegeben waren.

In geschichtlicher Zeit bildeten die Orte im Seevetal einen Unterbezirk des Bardengaues, der den Namen „Acht to Ramelsloh“ führte. Diese Be­zeichnung ist auffallend, denn im Bardengau und im benachbarten Gau Mosidi kommt dieser Name sonst nicht vor. Allem Anschein nach haben wir es hier mit dem Reste einer alten Markgenossen­schaft zu tun. Wahrscheinlich wurde das Holting, das Holzgericht, auf dem Hügel östlich der Straße von Ramelsloh nach Marxen abgehalten, der heute noch die Bezeichnung „Auf dem Dinghorn“ führt.

Die Bedeutung Ramelsloh’s begann erst recht mit der Christianisierung des Nordens zu steigen. Unter den Missionaren ragt Ansgar hervor, dem die Geschichte später den Namen „Apostel des Nordens“ beigelegt hat. Er ging als Glaubensbote nach Dänemark und Schweden. Als Missionsstütz­punkt erwählte er Hamburg.

Im Jahre 845 drangen die Normannen mit ihren kleinen, aber seetüchtigen Schiffen überraschend auf der Elbe vor und eroberten und brandschatz­ten Hamburg. Ansgar musste mit seinen Ordens­brüdern fliehen. Er rettete nur die heiligen Ge­fäße. Sie flohen wahrscheinlich auf dem Wasser­wege und fuhren die Seeve aufwärts. Hier such­ten sie Schutz in dem Bruchwald, der damals das Seevetal bedeckte. Eine fromme Edelfrau aus Bardowick mit Namen. Ikia, soll ihm dann ihren „dortigen Edelhof geschenkt haben. Hier erbaute Ans­gar mit seinen Mönchen zunächst eine Unter­kunftsstätte. Später erhielt er die Erlaubnis zum Bau eines Klosters. Er selber wurde zum Erz­bischof von Hamburg und Bremen ernannt, kehrte zunächst nach Hamburg zurück, siedelte später aber nach Bremen über, wo er dann auch gestor­ben ist.

Die Ramelsloher Mönche gehörten dem Bene­diktiner-Orden an. Sie entfalteten eine segens­reiche Tätigkeit. Sie legten den Bruchwald trocken und rodeten ihn und schufen somit auf diese Weise neues Acker- und Weideland. Zur Beschaffung der nötigen Fastenpreise wurden Fischteiche angelegt.

Der Moorteich, die Pastorenteiche, Meinecke’s Teich und der trockengelegte Grasteich sowie die „Diekwisch“ geben heute noch Kunde davon. Von ihrem Wirken zeugt heute auch noch das Ramels­loher Huhn, eine weiße Legerasse mit blauen Bei­nen und blauen Ohrlappen.

Im Jahre 988 wurde Ramelsloh von den Nor­mannen, die mit ihren Schiffen die damals noch schiffbare Seeve heraufgekommen waren, geplün­dert. Aber um das Jahr_1000 herum ist das „Stift“, wie es nun wegen seiner geänderten Verwaltung genannt wird, wieder in höchster Blutet Es wird von den Domherren geleitet. Sie üben auch die Gerichtsbarkeit aus und brauchen sich nicht um die fürstliche Landesregierung zu kümmern. Das Stift bildet eine Welt für sich. Üppigkeit und welt­liches, ja lasterhaftes Wesen reißen ein. Plötz­liche unangemeldete Revisionen durch den Bischof nützen nicht viel.

Im Jahre 1144 war Ramelsloh Mittelpunkt eines dramatischen Kampfes anlässlich des Fürstentages. Die Auseinandersetzung zwischen Heinrich dem Löwen und dem Erzbischof von Bremen wurde im Kloster ausgetragen. Es handelte sich um die Erb­folge in der Grafschaft Stade. Im Laufe der Ver­handlungen kam es zu Tätlichkeiten.

ie Vasailen des Löwen griffen zu den Waffen und entführten den Erzbischof auf die Burg auf dem Lü­neburger Kalkberg, während der Probst Hartwich von Bremen dem Markgrafen Albrecht dem Bären, ausgeliefert wurde. Doch wurden beide Gefange­nen bald wieder in Freiheit gesetzt, und Heinrich der Löwe nahm die Grafschaft Stade in Besitz.

Dem Stift Ramelsloh gehörten auch eine Pfanne l und 10 Chor Salz der Lüneburger Saline, deswegen war es auch am „Prälatenkriege“ beteiligt. |

Der um die Einkünfte der Kirche aus dem Lüneburger Salzgefälle entbrannte. Im Jahre 1460 wurde der Streit beendet.

Die Reformation des Stiftes Ramelsloh war das Werk des Herzogs Ernst des Bekenners. Im Jahre 1529 erschien er persönlich in Ramelsloh und for­derte die Übergabe des Inventars. Die Domherren setzten sich zur Wehr und retteten ihre Kostbar­keiten in die Lambertikirche zu Lüneburg. Erst im Jahre 1540 kam es zu einer Einigung. Gleich Bardowick behielt auch das Stift Ramelsloh Sitz und Stimme in den Landtagen des Fürstentums Lüne­burg. Dieses Recht ist 1864 aufgegeben worden.

Die Drangsale des 30jährigen Krieges brachen auch über Ramelsloh herein. Die Dänen, die Schweden und auch die Kaiserlichen raubten und plünderten. In der alten Kirche war freilich nichts mehr zu rauben, sie war arm und leer. Tilly selber ist mit großem Tross in Ramelsloh erschie­nen und hat im Kloster übernachtet.

Im Siebenjährigen Kriege und besonders in der Franzosenzeit 1812 hatte man unter den Durch­zügen und Einquartierungen viel zu leiden. Selbst die Kosaken, die als Verbündete während der Be­lagerung Hamburgs in Ramelsloh in Quartier lagen, erwiesen sich als Quälgeister. Sie verlang­ten von ihren Quartierwirten die Reinigung ihrer verlausten Schafpelze und stahlen wie die Raben. Verschiedentlich hatten sie es auf Schafe abge­sehen, die sie mit den Eingeweiden verzehrten.

Auch von Feuersbrünsten ist Ramelsloh nicht verschont geblieben. Am 29. April 1865 brannten in wenigen Stunden 29 Gebäude nieder. Die Ent­stehungsursache blieb unbekannt. War die Not der Abgebrannten groß, so war die Nächstenliebe doch noch größer. Ein Ausschuss, der sich gebildet hatte, erließ einen Aufruf um Unterstützung. Von fast allen benachbarten Ortschaften liefen Spen­den ein. Ganz besonders zeichneten sich Maschen, Ohlendorf und Pattensen aus. Ein zweiter Brand entstand Palmarum 1884 abends 9 Uhr, In zwei Stunden lagen 8 Wohnhäuser auf der Südseite des Dorfes nebst den Nebengebäuden in Asche. Die Not machte sich diesmal weniger bemerkbar, da die Abgebrannten einigermaßen versichert hatten.

Im Laufe der Zeit war der Dachstuhl der Kirche so baufällig geworden, dass man sich im Jahre 1887 gezwungen sah, das Schiff der Kirche abzu­brechen und durch einen Neubau zu ersetzen. Die Kirche erhielt nun auch wieder einen Turm. Wäh­rend des Baues fand der Gottesdienst in der zum Gotteshaus hergerichteten Scheune der Pfarre statt. Zu der großen Glocke aus dem Jahre 1427 kamen zwei andere, die im Jahre 1888 in Hildes­heim gegossen wurden. Damit hatte die Kirche ein wunderbar harmonisches Geläute bekommen. Am l, Dezember 1889 fand die feierliche Einwei­hung statt.

Aus der Reihe der Geistlichen, die im Laufe der Zeit in Ramelsloh gewirkt haben, muss vor allen Dingen der Pastor Volckmann erwähnt werden, der von 1664 an 45 Jahre der Stiftskirche als Pa­stor und Domherr vorgestanden hat und endlich als wohlverdienter Senior des Dom-Kapitels in Bardowick im Jahre 1709 gestorben ist. Er ist nämlich der Gründer der Kirchengemeinde Ra­melsloh. Zu seiner Zeit gehörten zur Ramelsloher Kirche nur die Angehörigen des Stiftes, also der Pastor, die beiden anderen Domherren, der Lehrer, der Küster und die Bewohner der Horster Mühle, die damals noch Klostermühle war. Die Bewohner des eigentlichen Dorfes gingen zwar zur Predigt in die Stiftskirche und wurden auch hier begra­ben. Zur Taufe, Trauung und zum Abendmahl aber mussten sie nach Pattensen. Pastor Volck­mann gelang es nach Überwindung mancher Schwierigkeiten, daß Dorf und Stift zu einer ein­heitlichen Gemeinde zusammengefaßt wurden. Das geschah im Jahre 1684. Seit dieser Zeit brauchen die Ramelsloher nicht mehr den Weg nach Pattensen zu gehen. Von da an wurde auch ein Kirchenbuch geführt.

Die Haupteinnahme des Klosters bestand in dem Kornzins, der jährlich am Dienstag nach dem Ägidiustage (1. September) von den Bauern aus den Nachbardörfern geliefert werden musste. Die Zehntscheune war das heutige Ostermann’sche Haus. Aus dieser Zusammenkunft entwickelte sich mit der Zeit der Ramelsloher Ägidiusmarkt, der im Jahre 1846 zuletzt gefeiert wurde und heute der Vergangenheit angehört.

Heute liegt Ramelsloh abseits der Hauptver­kehrswege. Der hochragende schlanke Kirchturm, der ein Wahrzeichen der Gegend ist, kündet aber noch von der geschichtlichen Vergangenheit dieses Ortes.

Richard Backhaus ( Lehrer in Hanstedt )

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