Der „Dorfpolizist“ Emil Lange

Der  „Dorfpolizist“  Emil Lange

Nach 1945

Für die Polizei in der „Britischen Zone“ kam es nach 1945 schnell zu einen Neuanfang. Die Briten gliederten die Organisation neu. Über die Entnazifizierung sollte schnell eine zivile, lokale Polizei geschaffen werden. Die Briten hatten eine strenge Personalauswahl vorgenommen und z. B. das öffentliche Auftreten hoch bewertet. Feinge-fühl und strenge Unparteilichkeit wa-ren gefragt. Schwerpunkte der Arbeit der neuen Polizei waren die Eindämmung des Schwarzmarktes, des Betruges und vor allem des Diebstahls. Die Ausrüstung bestand zunächst lediglich aus einen Schlagstock – eine Schusswaffe wurde nicht getragen. War keine Uniform vorhanden, dann ging man in Zivil mit Armbinde „MG Police“. Erst 1951 kam die Polizei in den Hoheitsbereich der Länder – soweit die Angaben aus der „Geschichte der Polizei in Niedersachsen“.
Wie war die Situation bei uns vor Ort?

Links : Ehepaar Lange beim Schützenfest an der Seeve

Links : Ehepaar Lange beim Schützenfest an der Seeve

Wie mir berichtet wurde, gab es schon im Juli 1945 einen Polizisten in Ramelsloh. Die Aufgabe übernahm Emil Lange – er wurde 1910 in West-preußen geboren und war nach dem Krieg mit seiner Frau Martha geb. Du-linski (1998 – 1975) zunächst bei „Lübben“ – heute Heiner Oertzen – einquartiert.
Die beiden lebten später gemeinsam mit ihrem Pflegekind Heinz Dulinski in einem kleinen Haus gegenüber von „Knolles Markt“. Emil Lange starb 1988.
Als Gendarm im Dorf galt er als Respektsperson und rangierte in der „Hierarchie des Dorfes“ gleich hinter Bürgermeister und Pastor an dritter Stelle. Die Nähe zur Bevölke-rung war schon durch die gemeinsamen Kontrollgänge mit den Besatzern gegeben. So erkannte er „seine Leute schon am Gang“ wie er mir einmal erzählte. Herr Lange war sehr diensteifrig und genau.

Der Ortswachmeister Emil Lange hatte keinen leichten Job. Um seine Dienstgeschäfte in den Orten Ramelsloh, Ohlen-dorf und Holtorfsloh zu erledigen, benötigte er dringend ein Fahrrad. Bei einer Hausdurchsuchung in Holtorfsloh, gemeinsam durchgeführt mit den britischen Besatzern, wurde er schließlich fündig. Man war eigentlich auf der Suche nach Tarnstoffballen, die aus der Scheune des späteren „Romaris“ verschwunden waren.
Haus für Haus wurde durchkämmt und auf dem Heuboden von H. Maack entdeckte Ernst Lange dabei das versteckte Fahrrad eines ausgebombten Verwandten. Kurzerhand folgte die Beschlagnahmung des Vehikels, und der Dorfpolizist hatte fortan ein Dienstfahrrad. Erst mit Hilfe des britischen Kommandanten in Winsen bekam der Besitzer sein Rad Jahre später zurück.
In den kalten Wintern der Nachkriegszeit war Feuerholz sehr gefragt. So wurden in den Nächten auf dem Brennhassel heimlich Stubben gerodet. Es hagelte demzufolge Anzeigen und Vorstrafen.
Es war so kalt, dass die Kinder nur die Schule aufsuchten, um die Schularbeiten abzuholen, denn geheizt werden konnte aus Holzmangel nicht. Erst auf Anordnung des Bürgermeisters Hermann Staacke wurden die Bauern reihum verpflichtet, Holz für die Schule zu beschaffen.
Zum Friseur brachten die Frauen für die dreistündige Prozedur einer Dauerwelle noch Brikett mit, damit warmes Wasser zur Verfügung stand.
Für Schwarzhandel, Schwarzbrennerei und Schwarzschlachten hatte Herr Lange einen besonderen Riecher. Da er aber gutes Essen schätzte, drückte er oft ein Auge zu und brachte einen schönen Braten für „Mausi“, wie er seine Gattin liebevoll nannte, mit nach Hause. Schnaps war auch sehr begehrt. Zur Hochzeit meiner Eltern wurde Haareschneiden aus aktuellem Anlass mit Kartoffel- oder Rübenschnaps bezahlt. So manch ein Schwarzbrenner wurde vom Dorfpolizisten überführt.

..eine ähnliche Isetta fuhr in späteren Jahren auch der Ortswachmeister Lange.

..eine ähnliche Isetta fuhr in späteren Jahren auch der Ortswachmeister Lange.

In der kalten Jahreszeit trug der Dorfpolizist Emil Lange Dienstmütze und Uniformjacke samt Koppel mit Schulterriemen, Reiterhose und Schaftstiefel, darüber dann einen langen Ledermantel, welchen er hochknöpfte und am Gürtel befestigte, bevor er sein Fahrrad bestieg. 1957 baute er an der Ohlendorfer Straße ein kleines Häuschen und hatte nun auch ein Dienstzimmer mit der riesigen Schreibmaschine, die er nur im „Einfingersuchsystem“ schwerfällig bedienen konnte.
Die BMW – Werke in München bauten in der Zeit von 1955 bis 1962 die kleine „Isetta“. In Niedersachsen wurde dieses Modell auch als Polizeiauto eingesetzt. Emil Lange kam so auch in den Genuss eines Dienstwagens und wurde so mobiler. Wollte jedoch das Ehepaar Lange zur allwöchentlichen Skatrunde nach Ohlendorf, war das Auto schon an der Belastungsgrenze angelangt. Während eines Besuchs im Gemeindebüro im Gasthaus Dörels wurde sein Auto in der Dunkelheit von kräftigen Jungs auch kurzer Hand aufgebockt.
Die Firma Eddelbüttel hatte den Schaden schnell entdeckt, und nachdem die Bodenhaftung der Hinterräder wieder hergestellt war, konnte der Dorfpolizist seine Fahrt fortsetzen.
Sehr angenehme Auftritte hatte Herr Lange an den Vereinsfesten. Mit seiner weißen Schirmmütze sicherte er den Schützenumzug in Ohlendorf und in Ramelsloh bis hinunter zur Seeve. Er nahm traditionell an dem Kommers teil, denn neben seiner Leidenschaft zu rauchen, schätzte er gute Mahlzeiten.

 

Die Familie Lange war auch bekannt für schwergewichtige Schlachtschweine aus eigener Mästung.

Ingo Pape

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