Die Geschichte der Stiftskirche in Ramelsloh
Diese, unsere Kirche ist eine ehemalige Stiftskirche und nach den beiden Heiligen St. Sixtus und Sinnitius benannt. Auf die Bedeutung dieser Namen werde ich später noch kommen. Das Stift „Hramsloa“ wurde im Jahre 845 von Bischof Ansgar gegründet. Um nachvollziehen zu können, warum Ansgar gerade im Wald von Ramelsloh ein Stift gegründet hat, muss man die Geschichte des Bischofs Ansgar ein wenig kennen. Ich will versuchen diese in Kurzform zu erläutern.
Ansgar wurde 801 in Frankreich geboren (ein Jahr nach der Krönung Karls des Großen in Aachen) Als er 5 Jahre alt war, starb seine Mutter. Mit 11 Jahren gab ihn sein Vater in die Klosterschule Corbie in der Nähe von Amiens. 823, als 22-jähriger, erhält er den Ruf, der neuen Klosterschule des Klosters Corvey an der Weser, vorzustehen. Von Corvey aus macht er Missionsreisen in die Landbereiche nördlich der Elbe. Zum Beispiel 826 als Missionar nach Kopenhagen in Dänemark. 829 führt ihn sein Weg auf die Insel Birka im Mälasee vor Stockholm.
Im Jahre 831 wird ein früher Plan Karls des Großen erfüllt und Hamburg wird Bistum für alle Bereiche nördlich der Elbe- einschließlich Dänemark und Schweden.
Ansgar wird für dieses Bistum von Pabst Gregor IV als Bischof eingesetzt.
Wie entsteht nun die Verbindung zu Ramelsloh?
Ramelsloh ist zu der Zeit bereits besiedelt. Es wird vorher schon einmal als im Wald Hramsloa im Bardengau erwähnt. Im vergangenen Jahrhundert fand man zwischen den Dörfern Ramelsloh und Horst eine Karolinger Silbermünze und man weiß, dass diese in der Zeit zwischen 820 und 840 geprägt wurden. 845 überfallen die Wikinger Hamburg, sie plündern und brandschatzen. Ansgar muss fliehen und da kommt die Verbindung zu Ramelsloh. Denn hier erhält er Zuflucht von der „Matrone Ikia“ aus Bardowick, sie ist hier Grundeigentümerin und untersteht dem Bischof in Verden. Der Bischof Voltgar von Verden soll erst nach längerem Zögern zugestimmt haben. So kommt Ansgar im Jahre 845 nach Ramelsloh und gründet hier ein Männerstift.
Diese Gründung ist vermutlich die allererste Gründung im heutigen nördlichen Niedersachsen.
Ansgar selbst bleibt nur 4 Jahre in Ramelsloh, im Jahre 849 kehrt er nach Hamburg zurück.
So oder ähnlich könnte es gewesen sein, es könnte aber auch ganz anders gewesen sein, würde Herr Dr. Reinecke an dieser Stelle sagen.
Es gibt nämlich ein Diplom von König Ludwig dem Deutschen (ein Enkel Karls des Großen und Sohn Ludwig des Frommen) aus dem Jahre 842 und eine Bulle aus dem Jahre 864 vom Pabst Gregor I, aus denen das so hervorgeht. In jüngerer Zeit hat ein Gutachter allerdings festgestellt, dass diese Urkunden erst im 11. Jahrhundert erstellt sein können. Trotzdem glauben mehrere Historiker, dass es sich zumindest so ähnlich abgespielt hat, denn es ist keineswegs ungewöhnlich, dass der Gründungsvorgang eines Stifts oder eines Klosters erst in einer erheblich später ausgestellten Urkunde festgehalten wird. Außerdem gibt es ein echtes Diplom von König Otto I. vom 30. Juni 937 in dem das Stift Ramelsloh erwähnt wird. Das heißt im Jahre 937 war es auf jeden Fall schon da. Insgesamt gibt es aus den frühen Jahren wenig Material, die über das Leben im Stift Aufschluss geben. Es gibt ein paar Urkunden aus dem 10.-12Jahrhundert von den Königen Otto I. – III und von Friedrich II., die das Besitzrecht der Bremer Kirche an Ramelsloh darlegen.
Nun etwas zur Geschichte der Ramelsloher Kirchen.
Ansgar baute hier im Wald von Ramelsloh also eine kleine Kirche (vermutlich aus Holz) und ein Männerstift nach den Regeln des heiligen Benedikt. Kein Kloster, also nicht die grundsätzliche Ehelosigkeit. Diese war nur für die Priester. In der ersten Kirche sollen auch die Reliquien der beiden Heiligen Sixtus und Sinnitius eingesetzt worden sein. Sixtus und sein Nachfolger Sinnitius waren die ersten Bischöfe in Reims. Ansgar soll diese Reliquien schon aus Frankreich mit nach Hamburg gebracht haben. Diese Kirche wurde also den Schutzheiligen St. Sixtus und St. Sinnitius unterstellt. Die Namen sind bis heute in unserer Gemeinde erhalten geblieben. Wie die erste Kirche genau ausgesehen hat, weis man nicht. Sicherlich war sie in dieser armen Gegend sehr bescheiden. Aber sie hat immerhin um die 600 Jahre gehalten.
Um 1450 entstand die zweite Kirche auf dem selben Platz, (schon wegen der Reliquien) Diese Kirche muss schon einen Chorraum gehabt haben, der vermutlich aus Stein war, weil einige Gegenstände aus dieser Zeit noch erhalten sind. Diese Kirche hat aber nur 150 Jahre gehalten. In einer alten Schrift ist niedergelegt: „An einem normalen Sonntag brach plötzlich das Dach des Kirchenschiffes ein. Der Chorraum blieb vermutlich erhalten.
Die Dritte, also die Vorgängerkirche dieser Kirche, war bald wieder hergestellt und wurde im Jahre 1601 geweiht. Den Chorraum dieser Kirche sehen wir vor uns, er wurde im spätgotischen Baustil errichtet und steht bis heute. Die gesamte Kirche hatte nur die Breite des Chores. Von dieser Kirche gibt es noch einen Stich. Besonders erwähnenswert ist, dass zum Bau der 3. Kirche viele Spenden von fürstlichen Familien, von Klöstern, Fürstenhäusern und hohen Beamten eingesammelt wurden. Die Namen dieser Spender mit ihren Wappen waren in den Fenstern des Kirchenschiffes sichtbar. Es sollen über 300 gewesen sein. Zwei davon befinden sich noch vorne im Chorraum.
Mitte des 19. Jahrhunderts wird gemäß alten Unterlagen die Kirche nach 350 Jahren als desolat und abbruchreif dargestellt. Im Jahre 1885 wird ein Neubau beschlossen. Der Konsistorial Kirchenbaumeister Conrad-Wilhelm Hase wird mit dem Neubau eines Kirchenschiffes in neugotischem Baustil beauftragt, damit es zu dem gotischen Chorraum passt. Diese Kirche wird breiter als ihre Vorgänger, es kommen an beiden Seiten die Emporenbreiten hinzu. Und sie bekommt einen Turm. In der 2. Kirche soll es einen Turm mitten im Gebäude gegeben haben, der aber mit dem Neubau der 3. Kirche verschwunden ist. Danach waren die Glocken in dem separaten Glockenturm, den wir beim hinausgehen sehen, untergebracht.
Unser Turm ist 52 m hoch und beherbergt natürlich die drei Glocken. Die Kirche wurde am 1. Dezember 1889 (1. Advent) eingeweiht.
Alle vier Kirchen standen auf dem Domplatz, obwohl es einen Dom niemals
Was spielte sich sonst noch in den vielen Jahrhunderten rund um das Ramelsloher Stift ab?
Im Jahre 1063 war die Grafschaft Stade in Lehnsabhängigkeit der Bremer Kirche geraten. Nach dem Tode des letzten weltlichen Angehörigen des Grafenhauses entbrannte 1144 ein heftiger Streit um das Stader Erbe zwischen Erzbischof Albero und Heinrich dem Löwen. In diese Auseinansetzung wurde Ramelsloh als Schauplatz hineingezogen, denn hier fand 1145 auf Geheiß König Konrads III. eine Verhandlung zwischen den beiden Kontrahenten statt, bei der Heinrich zum ersten mal seine Skrupellosigkeit im Kampf um die Macht offenbarte. Er ließ den Erzbischof gefangen nehmen und in Lüneburg festsetzen, um von ihm die Abtretung der Grafschaft zu erpressen. Die Wahl Ramelslohs zum Verhandlungsort zeigt, dass die Grenze zwischen billungisch-welfischem und stiftsbremischem Machtbereich um diese Zeit noch um die Seeve herum anzusetzen ist. Erst danach schoben die Weifen sie bis über die Este hinaus nach Westen vor.
Das war der sogenannte Fürstentag von Ramelsloh.
Einen wesentlichen Einschnitt in das Stiftsleben in Ramelsloh bedeutete natürlich die Reformation. Von da an verlor das Stift langsam an Bedeutung. Die Reformation wurde, wie bekannt, auf einem Landtag in Scharnebeck, im Jahre 1527 durch Herzog Ernst, beschlossen und 1529 eingeführt. Als Herzog Ernst 1529 zusammen mit seinen wichtigsten Räten eine Rundreise durch die Klöster seines Fürstentums unternahm, um sie auf das Luthertum zu verpflichten, da machte er in Ramelsloh den Anfang. Am 27. Juni erschien er hier und ließ sich über den inneren und äußeren Zustand des Stiftes Rechenschaft legen. Während er die Männerklöster Oldenstadt und Scharnebeck aufhob, ließ er die Stifte Bardowick und Ramelsloh, unter mancherlei Auflagen, bestehen. Gegen sein Eingreifen ist in Ramelsloh 1529 noch kein Widerstand zu erkennen. Erst als das reichere und selbstbewußtere Stift in Bardowick dem Herzog offen entgegentrat, scheint man auch in Ramelsloh Mut zur Widersätzlichkeit gefunden zu haben. Man weigerte sich dem Herzog Urkunden des Stifts auszuliefern und brachte sie ins Lüneburger Archiv in Sicherheit. Früher als Bardowick war man dann aber in Ramelsloh zum Einlenken bereit und unterzeichnete am 10. Mai 1540 in Medingen den Rezess.
Die Mutter von Herzog Ernst „den Bekenner“, Dorothea von Dänemark, die ihren Witwensitz im Winsener Schloss hatte, bat ihren Sohn, in Ramelsloh eine Landesschule einzurichten, doch er entschied sich für eine Schule mit lokalem Charakter, sie hatte nur einen Lehrer, dessen Wirkungsbereich sich auf das Dorf und ein paar Nachbardörfern beschränkte. 1687 wurde auch hier die Hittfelder Schulordnung eingeführt.
In den heimatlichen Geschichtsbüchern ist immer wieder die Rede von der „Acht Ramelsloh“. Was bedeutete eigentlich eine Acht in damaliger Zeit? Als Acht bezeichnete im 15. Jahrhundert eine Verwaltungseinheit, die sich durch besondere Rechtsverhältnisse von dem umgebenden Umland abhob. Außer der Acht Ramelsloh ist uns noch die Acht Soltau bekannt. Die Acht Ramelsloh hatte ihre eigene Gerichtsbarkeit. Das Gericht tagte in der Regel nach Bedarf bis zu viermal im Jahr. Einmal jährlich war Pflicht. Aber es stand auch im Protokoll:“ Ist nichts zu richten gewest“ Hier wohnten eben schon immer ordentliche Menschen.
Zur Acht Ramelsloh und damit zum Einzugsbereich des Stiftes gehörten um 1450 – 50 Höfe in 22 Dörfern. Die Dörfer lagen weit auseinander, man würde es heute als Streubesitz bezeichnen. Es gehörten immer nur einzelne Höfe eines Dorfes zur Acht Ramelsloh. In den gleichen Dörfern hatten manchmal die Vogtei Harburg und der Go Salzhausen ihre Höfe. Weiter entfernte Güter befanden sich im Erzstift Bremen, davon ein größerer Komplex in der Stader Elbrnarsch und jenseits der Elbe in der Haseldorfer Marsch und im Land Stormarn, welche aber teilweise im Laufe der Jahrhunderte verkauft wurden.
Auch zwei Wassermühlen besaß das Ramelsloher Stift. Eine nördlich in Horst an der Seeve und eine südlich in Schmahlenfelde an der Aue. Die Schmahlenfelder Mühle wurde bald nach der Reformation verkauft, während die Horster Mühle noch im 19. Jahrhundert zum Stift gehörte. Das Horster Wasserrad läuft bis heute und produziert Strom für den privaten Gastronomiebetrieb „Horster Mühle“
Aufzeichnungen aus dem Jahre 1694 belegen, dass zur Acht Ramelsloh noch 21 Dörfer gehören, und die Acht sich auf 25 km Länge und 10 km Breite östlich der Seeve erstreckte.
Die Acht Ramelsloh wurde 1852 aufgelöst.
Trotz den vorgenannten Besitztümern war Ramelsloh unter den Stiften und Klöstern immer eines der Ärmsten im norddeutschen Raum. 1529 gab es nur 140 Urkunden. Und diesen kleinen Bestand ließ man fast vollständig in der Lüneburger Lambertikirche verrotten. Der allerletzte Teil fiel 1943 im Staatsarchiv in Hannover bei einem Bombenangriff den Flammen zum Opfer. Die Verdener Bischöfe und auch die Lüneburger Herzöge hatten nie ein großes Interesse an das Ramelsloher Stift, denn erstens war es arm und zweitens lag es wie eine Insel und bremischer Fremdkörper in ihrem Gebiet. Die eigenen Ländereien waren sehr bescheiden. Selbst bewirtschaftet wurden die Ländereien zu keiner Zeit, sie waren immer verpachtet. Ich war von 1957 – 1970 hier Kirchenvorsteher, zu der Zeit war es immer ein Kampf um die landwirtschaftlichen Flächen der Kirche. Es gab noch viele kleine Landwirte, die Landhunger hatten und die Kirchenflächen waren nicht zu teuer. Aber jetzt ist gerade ein neues Baugebiet in Ramelsloh mit gut hundert Wohneinheiten ausgewiesen und bis auf ein paar Flächen, die der Klosterkammer gehören, sind das alles Kirchenflächen. Der größte Teil des Erlöses geht natürlich an die Landeskirche in Hannover, aber wir dürfen € 300.000,- für unsere Stiftung behalten.
In dem neuen Baugebiet wird noch einmal die Geschichte lebendig gehalten. Das ganze Gebiet heißt „Domherrengarten“ und die Straßen sollen folgende Namen bekommen: Küsterland, Pastor- Weltmann-Straßen, Volkmann Straße, (beides Stiftsprediger), Ikiaweg, (wir haben von der Matrone gehört) Sixtusweg nach dem heiligen Sixtus und Stiftsring. Die Bauern aus den Dörfern durften zwar ihre Abgaben an das Stift leisten, aber ein Recht auf kirchliche Gegenleistungen hatten sie nicht. Aus dem Dorf Ramelsloh waren 6 Bauern dem Stift verpflichtet, doch kirchlich gehörte das Dorf bis 1684 zur 10 km entfernten Kirchengemeinde nach Pattensen. Auch aus Ohlendorf, meinem Heimatort, waren 6 Höfe dem Stift verpflichtet und wir wurden erst 1957 nach Ramelsloh eingepfarrt.
Wie ging das mit dem Abliefern der Naturalien an das Stift vor sich?
Die Höfe mussten in der ersten Septemberwoche (Ägidien) ihre Waren abliefern und das Stift musste die Liefernden dafür bewirten. Es war die sogenannte „Kirchmessmahlzeit“ Dieser Brauch wurde dem Stift zunehmend lästig. Es kam infolge überreichlichen Biergenusses zu Tätlichkeiten. Das Stift bemühte sich seit dem 17. Jahrhundert um Abschaffung oder Umwandlung in Geldleistungen. Obwohl an der Speisung eigentlich der Bauer, seine Frau und ein Kind, das noch an der Brust war, teilnehmen durften, brachten die Bauern ihre Knechte und Mägde sowie Verwandte und andere Personen „zum Fressen und Saufen“, wie sie es nannten, mit, so dass 1805 über 300 Personen anwesend waren, obwohl es nur etwa 80 zinspflichtige Bauern gab. 1818 kam es zu einem gerichtlichen Vergleich, wonach die Bauern für das Bringen eine Geldleistung erhielten, und damit hatte der Spuk ein Ende. Wenige Jahre später wurden die Leistungen ohnehin weitgehends von den Bauern abgelöst. Bei uns in Ohlendorf 1842.
Die Schließung des Stiftes wurde 1850 beschlossen und 1863 war es endgültig aufgelöst.
Die zum Stift gehörenden Ländereien wurden der Verwaltung der Klosterkammer unterstellt und diese ist auch für die Erhaltung der Kirche zuständig.
Und damit bin ich am Ende meines Vortrages.