Flüchtlinge vor 70 Jahren

Flüchtlingsprobleme … ein altes Thema !

 Ein besonderes Thema unserer Tage sind „Flüchtlinge“. Viele Gemeinden bekommen Flüchtlinge aus fernen Kriegsgebieten die unterzubringen sind.  Heute stampft man Containersiedlungen aus dem Erdboden möglichst weit von den Ortszentren entfernt.

Vor 70 Jahren hatten wir vergleichsweise ein viel größeres Problem. Aus den ehemaligen Ostgebieten mussten Ende 1944 bis 1945 bis zu 14 Millionen Vertriebene einquartiert werden. Die russ. Großoffensive begann am 19. Jan. 1945  an der Ostfront. Kapitulation von Königsberg am 9. April. Am 11. April war die letzte Möglichkeit ab der Sammelstelle Pillau das Land zu verlassen. 93 % nutzten den Seeweg nach Dänemark und Schleswig-Holstein. 795 Schiffe sorgten für den Abtransport. Schleswig -Holstein hatte z. B. im Juni 1945 mehr Flüchtlinge als Einwohner.

Der Landkreis Harburg hatte 1939 noch 65 000 Einwohner, 1960 schon 120 000. 1945 bis 1950 gab es hier 32 000 Flüchtlinge und 17 500 Ausgebombte. Die Elbdörfer bis Winsen bekamen nach dem Einmarsch der Engländer zeitweilig nach der Evakuierung aus der Elbmarsch (Vierlanden) noch 8000 dazu.

Grund waren erwartete Kampfhandlungen  mit den heranrückenden Russen, die bis Hamburg und Lübeck wollten.

Von den 14 Millionen Flüchtlingen sind nach Schätzungen 2,1 Millionen Menschen auf der Flucht ums Leben gekommen. Die Winter 1944 bis 1947 waren zu allem Unglück noch überdurchschnittlich kalt. Dieses war aber auch ein Vorteil für die Ostflüchtlinge die das zugefrorene Haff so als Fluchtweg nutzen konnten weil der Landweg von den Russen versperrt war. Mit Pferd und Wagen, den Angriffen der Tiefflieger ausgeliefert, begaben sie sich in den Westen. Doch was erwartete sie?

Ein zerstörtes Land mit zerbombten Städten und Dörfern. Eine Bevölkerung die teilweise hungerte und keine Behausung hatte. Konnten sie auf Solidarität bauen?

Erst ab 1946, in sogenannten „Nissenhütten“ die provisorisch aufgebaut wurden, schaffte man Notbehausungen für je 15-20 Personen. Die Wohnungsnot wurde noch erschwert, weil die Flüchtlinge den ausgebombten Städten zugeteilt wurden.

Wie war die Situation in Ramelsloh am Kriegsende:

Bei Gesprächen mit Einheimischen und Zeitzeugen sprach man von einem vollgestopften Dorf. (1939 hatten wir hier 652 Einwohner und 1946 schon 1043 Einw.) Durch die Stadtnähe zu Hamburg hatten wir aber schon viele „Ausgebombte“ dann kamen Ost- Westpreußen und Pommern dazu. Kriegsgefangene Belgier und Holländer waren schon in Sammelunterkünften, die des Nachts bewacht werden mussten, in Ramelsloh. Sie arbeiteten auf den Bauernhöfen und ersetzten so die Soldaten die noch im Krieg waren. Aus den großen Verteilerstationen ab Ludwigslust, Lüneburg und Hamburg kamen viele Flüchtlinge dann über Winsen in die Dörfer. Registriert nur dürftig von der Sammelstelle auf dem Schlossplatz in Winsen und dem damit verbundenem Suchdienst des Roten Kreuzes. Viele kamen direkt mit Hab und Gut und Pferd und Wagen in die Dörfer. Prof Wiese vom Kiekeberg berichtete von einem Wagentreck auf der B4 der von Rosengarten(Stadtgrenze) bis Tostedt reichte.

Ein Pferdegespann mit dem Schmiedegesellen Manfred Weiß von Franke, war die erste Kontaktperson, die die Flüchtlinge in Marxen vom Bahnhof abholte. Bei Scharfenberg auf dem Saal war die Verteilerstelle. Bei Gesprächen mit Zeitzeugen taucht oft der Name Theo Krause aus Horst auf, der wohl zu den meist gehassteten Personen im Dorf gehörte. War er es doch, der noch immer einen Raum fand, war das Haus auch schon voll belegt.

Jedes Zimmer wurde für die Unterbringung erbarmungslos genutzt. Die meist Alten, Frauen und Kinder waren nur schlecht bekleidet und oft auch hungrig, sehnten sich nach Wärme, doch auch Brennstoffe waren Mangelware. Als die englischen Besatzer in den Ortschaften waren mussten sie oft die Zwangseinweisungen durchsetzen. In der sogenannten „Stellung“ zwischen Ramelsloh und Marxen hatten die Soldaten der Wehrmacht alles stehen und liegen lassen und nach dem Versuch den Bunker zu sprengen, was nicht gelang, wurden die Holzbaracken für die Flüchtlinge freigegeben. So wohnten diese einigermaßen komfortabel weil der Dorfkontakt nicht vorhanden war.

Vom Mangel an Brennmaterialien in den kalten Wintern war schon die Rede. Auf dem Hassel wo heute die Raststätte ist, hatten die Engländer im Rahmen der Reparationsforderungen den Wald total abgeholzt.

Die freigelegten Stubben waren sehr begehrt. Sie wurden kurzerhand mit Nummern versehen und den Häusern zugeordnet und entsprechend gerodet. Dieses war körperlich gesehen eine sehr schwere Aufgabe. Dennoch war dieses schwer zugängliche Holz so begehrt, dass viele Anzeigen wegen „Schwarzroden“ erstattet und Vorstrafen verhängt werden mussten. Dorfpolizist Lange hatte allerhand zutun mit Schwarz-Schlachten, Roden usw.

 

Berichte im Winsener Anzeiger:

 Eine Flüchtlingsfamilie berichtete:

Wir waren Flüchtlinge (Rucksackdeutsche ).

Wir waren Flüchtlinge aber auch Eindringlinge

Wir teilten Küche und Toilettenhäuschen

Wir benutzten Wasserpumpe und den Stall für die abgemagerten Treckpferde

Wir teilten Buchweizenpfannkuchen Milch und Kartoffeln.

Sie sorgten dafür, dass die Blechschornsteine, die aus vielen Fenstern ragten, auch rauchten.

Sie ließen unsere Kinder in die Schule gehen.

Sie gaben uns ein Stück Land für Gemüseanbau und auch Kleidung

Das so etwas nicht ohne Konflikte ablief, kann sicher jeder nachvollziehen und viele haben es leidvoll erfahren.

Es kam also nicht zu einer reibungslosen, schmerzfreien oder gar harmonischen Integration und bei der Ankunft wurden sie teils mit Verachtung konfrontiert.

Presseberichte von Flüchtlingen :

 „Das Schicksal der Flüchtlinge ist wohl eins der schwersten, das den Menschen treffen kann. Es soll ihnen erleichtert werden, wo es im Bereich der Möglichkeit liegt. Das in vielen Fällen dem Helfenwollen Grenzen gesetzt sind, liegt in der Natur der Sache. Die Wohnräume der Flüchtlinge sind bestimmt zum Teil überfüllt, aber auch die Einheimischen wohnen derart beengt, das man sie … nicht noch mehr belasten kann. Jedenfalls ist eine Gereiztheit auf beiden Seiten unverkennbar.“

Dieses Zitat stammt aus dem Tagebuch von Lehrer A. Niebuhr aus Hunden vom 30. Jan. 1946.

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Vor dem Hintergrund, dass auch jetzt wieder zahlreiche Flüchtlinge nach Deutschland kommen, waren Teil 1-3 nicht nur ein Rückblick oder ein Zeitdokument, er soll auch Mut machen heimatlose Menschen freundlich aufzunehmen und ihnen bei der Eingewöhnung in dem neuen Umfeld hilfreich zur Seite zu stehen

IPR 2015

In dieser Chronik siehe auch:
                 Flüchtlinge in Ramelsloh von 1944 – ca. 1955
                      Flüchtlinge in Ramelsloh  ab 2015
                      Flüchtlinge aus den Ostgebieten
                     Vertrieben aus dem Riesengebirge

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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