Menschen i.u. Gemeinde: Hiltraut Link
Hiltraut Link aus Ohlendorf gehört seit Juni zum neuen Kirchenvorstand unserer Gemeinde. Von Beruf ist sie Supervisorin und ihre Hobbys sind Radfahren, Wandern, Lesen und Meditation.
Turmhahn: Warum hast Du Dich ent-schieden, im Kirchenvorstand mitzuarbeiten. Was gefällt Dir an unserer Gemeinde, was möchtest Du gerne noch ausbauen?
Die Kirchengemeinde und der EC haben in der Kindheit meinen Glauben geprägt. Ich habe über 40 Jahre woan-ders gelebt, andere Erfahrungen gesammelt und jetzt möchte ich etwas an die Kirchengemeinde zurückgeben und ein Teil der Gemeinschaft sein. Mir gefällt an unserer Gemeinde, dass Menschen mit unterschiedlicher Prägung und Frömmigkeit zusammenkommen. Es ist mir wichtig, über unsere Erfahrungen, den Glauben und die Zweifel, die wir haben, ins Gespräch zu kommen.
Turmhahn: Du bist Supervisorin. Kannst Du bitte kurz erklären, was eine Supervisorin macht und in welchen Bereichen Du gearbeitet hast.
Als Supervisorin berate ich Menschen in beruflichen Herausforderungen, dazu gehören z. B. Leitungscoaching, Teamentwicklung, Konfliktklärung und Hilfe bei belastenden Situationen im Berufsleben. Gearbeitet habe ich in Hospizen, Kindergärten sowie in ver-schiedenen sozialen und kirchlichen Einrichtungen.
Turmhahn: In welchen Bereichen unserer Kirchengemeinde engagierst Du Dich noch?
Ich engagiere mich in der Beratung von Ehrenamtlichen, in der Flüchtlingsinitiative und an vielen Stellen in der landeskirchlichen Gemeinschaft. Im Moment bereite ich einen Beitrag zum Frauenfrühstück am 20. Oktober 2018 vor.
Turmhahn: Gibt es etwas, was Dich als Christ besonders geprägt hat?
Meine erste Prägung war meine Groß-mutter, die mit mir gesungen und gebetet hat. Es folgte die Kinder- und Jugendarbeit im EC und in der Kirchengemeinde. In der Studentengemeinde in Stuttgart lag der Schwerpunkt auf der Auseinandersetzung zwischen Glaube und Gesellschaft. Die Zeit in Indonesien hat mich in Glaubensdingen sprachfähiger gemacht. Ich habe gelernt, meinen Glauben in einfachen Worten in einer anderen Sprache wiederzugeben und frei zu beten.
In Südafrika und Palästina hat mich die schreiende Ungerechtigkeit, die auch im Namen von Christen geschah, sehr berührt, so dass mein Glaube auch eine politische Dimension bekam. Viele Jahre habe ich mich in der Bewegung „Gerechtigkeit, Frieden und Bewah-rung der Schöpfung“ engagiert.
In den letzten Jahren ist mir zunehmend eine Spiritualität, die aus der Stille kommt, wichtig. Sie hat mir in schwierigen Lebenssituationen und Krankheit geholfen. Deshalb habe ich für mich unter anderem die Meditation und das Pilgern entdeckt. Hier in Ohlendorf und Ramelsloh erlebe ich Gemeinschaft, die ich für meinen Glauben brauche.
Turmhahn: Du hast lange in Indone-sien gelebt, was können wir vom Umgang und vom Miteinander der Menschen in Indonesien lernen?
Christen in Indonesien leben in der Minderheit und deshalb ist ihre Zuge-hörigkeit zur kirchlichen Gemeinde stark entwickelt. Laien übernehmen mehr Verantwortung als bei uns und jedes Gemeindeglied geht am Sonntag meist einmal in den Gottesdienst. Der Kirchenbesuch ist für viele Menschen ein Stück Heimat, daher ist er in den großen Städten höher, als auf dem Land.
Turmhahn: Wie gelingt es, wenn man zur religiösen Minderheit gehört, seinen Platz in einer fremden Kultur zu finden?
Die indonesische Gesellschaft geht sehr offen auf Fremde zu, es wird einem leicht gemacht.
Trotzdem habe ich mich immer wieder fremd gefühlt. Dann war es wichtig, mich nicht ins Schneckenhaus zurückzuziehen, sondern auf die Menschen zuzugehen und zu versuchen, ihre Art zu verstehen. Wichtig ist das Feiern von gemeinsamen Festen. Ich habe an vielen muslimischen Festen teilgenommen und wir haben zu Weihnachten sehr viel Besuch von unseren muslimischen Nachbarn bekommen.
Turmhahn: Du setzt Dich im Kirchenvorstand für Ökumene ein. Warum ist für Christen Ökumene wichtig?
In der Ökumene geht es darum, Menschen anderer christlicher Kirchen kennen zu lernen und zu erfahren, dass wir gemeinsam Kirche Jesu Christi sind. Jeder von uns ist ein Teil dieser weltweiten Kirche. In der Begegnung mit anderen Christen können wir neu dar-über nachdenken, was sie und uns prägt. Dies ermöglicht, dass wir voneinander lernen.
Turmhahn: Religion gehört in unseren Dörfern noch selbstverständlich zum Leben dazu. Trotzdem braucht man manchmal Mut, sich zu seinem Glauben zu bekennen. Werden wir als Christen in der Gesellschaft wahrgenommen und was sollten wir dafür tun, dass es so ist?
Unsere Gesellschaft hat sich verändert. Vielen Menschen ist der christliche Glaube nicht mehr vertraut. Deshalb ist es wichtig, dass wir als Christen erkennbar sind. Viele besuchen nicht mehr den Gottesdienst und bekommen eher einen Zugang zum Glauben durch persönliche Begegnungen.
Turmhahn: Aus Gottes Wort schöp-fen wir Kraft, ein unschlagbares Angebot, das die Kirche macht. Wie kann es uns auch in Zukunft gelin-gen, Menschen so zu berühren, dass sie Gottesdienste und kirchliche Gruppen für sich entdecken?
Es geht darum, dass wir Christen unseren Glauben authentisch leben – bei allen Fehlern und Brüchen. Wir müssen mit den Menschen in Kontakt bleiben und nachfragen, was sie bewegt. In unserer Gesellschaft gibt es eine große Scheu, über Glauben zu reden. Wir brauchen Mut, diese Scheu zu überwinden. Ich finde es gut, dass in unserer Kirchen-gemeinde so viele Menschen mitarbeiten. Es dürfen noch mehr werden, denn Mitarbeit schafft Zugehörigkeit.
Turmhahn: Liebe Hiltraut, vielen Dank für dieses Gespräch.