Ramelsloh ein modernes Dorf

Ramelsloh ein modernes Dorf mit großer Tradition

Wenn man von der Hauptstraße Harburg-Hanstedt in Harms­torf links abbiegt, kommt man durch das Seevetal. Im Hinter­grund sieht man Heidberge und Wälder:

Zwischen der Seeve und den Sandbergen liegt das ehemalige Klosterdorf Ramelsloh, dessen hoher Kirchturm (52 m) sich als markanter Punkt aus der Talmulde heraushebt und schon von weither die Aufmerksam­keit auf sich zieht.

Das Kloster wurde im Jahre 845 durch Bischof Ansgar ge­gründet. Doch diese Gegend war schon vorher bewohnt ge­wesen, denn bei den Ausgrabungen 1912 fand man ein Hocker­grab und Urnengräber.

Das Skelett in dem Hockergrab lag mit dem Kopf im Süden, aber so, dass die Augen nach Osten gerichtet waren. Es muss ein junger Mensch gewesen sein, denn der Weisheitszahn fehlte. Neben diesem Skelett lagen 2 Gefäße, in die Zonenornamente eingeritzt waren. In der einen Ecke war eine Feuerstätte  mit gebrauchten Feuersteinen.  Dies Grab ist aus  der Jungsteinzeit.

Unter einem Hügel fand man Urnen, die in drei Reihen hinter einander lagen  und  gut  erhalten  waren,  während  man  an einer  anderen  Stelle  zerstörte  Urnen  ausgrub.  Diese  Friedhöfe  stammen  aus  der  Bronzezeit.  Man  vermutet,  dass  im Haßel — einem Wald in der Ramelsloher Feldmark — noch mehr Urnenfriedhöfe liegen.

Wahrscheinlich befanden sich in der Nähe von Ramelsloh alte Burgen, die im Sumpf gelegen haben, doch darüber weiß man noch nichts genaues.  Durch  Karl den Großen war Norddeutschland das Christentun aufgezwungen worden; doch der eigentliche Bekehrer in dieser Gegend war Bischof Ansgar. Er war in Corbie erzögen worden und ging 822 nach Corvey ins Kloster. 826 begleitete er im Auftrage Ludwigs des Frommen den neugetauften Dä­nenkönig Harald in seine neue Heimat, wurde aber von den christentumfeindlichen Dänen 827 vertrieben und wirkte seit 829 in Finnland und auf den Alandsinseln als Missionar und Diplomat. 831 wurde er der erste Bischof auf Björkö, grün­dete 834 das Erzbistum Hamburg und nach dessen Zerstörung 845 durch die Wikinger unter dem Dänenkönig Horich das Bistum Bremen, das 864 mit dem Erzbistum Hamburg vereinigt wurde.

Man nennt ihn allgemein den „Apostel des Nordens“ und schreibt ihm ein unverhältnismäßig großes Missionsgebiet mit damals zum Teil noch gar nicht bekannten Ländern in Skan­dinavien, Island und Grönland zu. Ein schwedischer Archäo­loge der Gegenwart, Matts Dreijer, der soeben seine For­schungen darüber veröffentlichen konnte, und anhand des beigebrachten Materials den Nachweis erbrachte, dass Ansgars Missionsgebiet Finnland und die Alandsinseln gewesen sind.

Er hat festgestellt, dass Ansgars 2. Nachfolger auf dem Ham­burger Bischofssitz in Birka (Björkö) auf Aland ermordet und begraben wurde. Auf seinem Grabkreuz ist nicht nur sein Name und Titel sondern auch das ihm vom Papst verliehene Strahlenkreuz zu erkennen. Folglich war Ansgars Bischofssitz Björkö auf Aland gewesen, das in den Urkunden zu Island verderbt worden ist. Das zu diesem Bischofssitz gehörige Finnland heißt noch heute bei den Schweden Queriland. Die­ser Name wurde zu Grönland verderbt.

Dass Ansgar kein Apostel gewesen ist, glaubt Dreijer auch nachweisen zu können. Er bezieht sich darauf, dass ein König Björn von Birka (Schweden) im Jahre 826 in der Kaiserpfalz zu Ingelheim christliche Missionare für sein Land erbeten hat. Ludwig der Fromme war mit dem Wunsch einverstanden und bat seinen Onkel, den Abt Adalhard von Corvey, um Überlassung geeig­neter Männer. Der Führer der Missionare war der seit 822 im Kloster befindliche Ansgar. Er traf 829 in Birka ein, ließ dort die Missionare zurück und verhandelte mit dem König als Diplomat Kaiser Ludwigs, wobei er wohl in der Hauptsache Handelsverbindungen mit allen kleinen Königen seines Missi­onsgebietes anzuknüpfen hatte.

Die Dänen drangen 845 in Hamburg ein, räuberten es aus und steckten es in Brand. Die Hamburger konnten nicht viel Widerstand leisten; denn ihr Heerführer Graf Bernhard hatte Hamburg kurz vorher verlassen. Auch das Kloster ging in Flammen auf, die Mönche zerstreuten sich in alle Winde, und Ansgar floh mit einigen seiner Getreuen.

Außer einigen Wertsachen nahm er die Reliquien, Gebeine der Schutzheiligen Sixtus und Sinitius, die Fürst Ebo aus Reims ihm geschenkt hatte, mit sich. Sie flohen wahrscheinlich auf dem Wasserwege und fuhren das Seevetal aufwärts. In den Wäldern irrten sie herum und trafen der Sage nach einen Kuhhirten, der sie auf ein Gut führte, das der Gräfin Ikia aus Bardowieck gehörte. Sie soll eine sehr fromme Frau ge­wesen sein und schenkte Ansgar ein Stück Land nahe dem Gute in dem Wald Ramsloa. Doch der Name des Waldes ist fast in jeder Überlieferung anders; man nannte ihn: Ramsolan, Ramesle, Ramsola, Hramesloa, Haramusla, Rameslahum, Ramesloh, Ramsei, Ramsol, Ramsolani und Harmssahl.

Dieser Wald lag im alten Bardengau und war der Kirchen­provinz zu Verden unterstellt.

Hier baute Ansgar mit seinen Mönchen eine Unterkunfts­stätte. Der Kaiser wünschte aber, dass die Missionsarbeit fortgesetzt und dass Hamburg wieder aufgebaut werden soll­te. Da baute man nach der Einwilligung des Verdener Bischofs eine Holzkirche, die man den Schutzheiligen Sixtus und Sini­tius weihte. Die Kirche war ein einschiffiger Holzbau mit einer unregelmäßigen Grundform, die eine Länge von 18,11 m und eine Breite von 11,68 m hatte.

Die Mönche betrieben Landwirtschaft und züchteten die als Delikatesse bekanntgewordenen „Ramelsloher Hühnchen“. Die „Pastorenteiche“ sind wahrscheinlich Anlagen der Benedik­tinermönche. Einige Schriften berichten, dass Ansgar, auch Anscharius genannt, sieben Jahre in Ramelsloh gewesen sein und von hier aus den Aufbau des Hamburger Klosters ge­leitet und die Kirchen in Sinstorf und Hittfeld gegründet ha­ben soll.

Der Papst ernannte Ansgar zum Erzbischof von Hamburg und Bremen. Ansgar kehrte nach Hamburg zurück, siedelte dann aber nach Bremen über, wo er nach einigen Jahren seiner Tätigkeit am 8. 2. 865 starb.

Man begrub ihn im Bremer Dom. 862 wurde das Kloster Ra­melsloh von Papst Nikolaus I. als Stift anerkannt. In einer Urkunde vom 6. 8. 937 findet man, dass Kaiser Otto I. das Stift dem Erzbischof von Hamburg und Bremen Adaldago unterstellte. Damals wurde das Kloster Ramelsloh zum er­stenmal erwähnt.

994 drangen die Normannen unter Graf Sifridus in das Ra­melsloher Kloster ein, um es zu plündern.

Eine alte Legende berichtet:

„Nachdem Graf Sifridus viel geraubt hatte, war er plötzlich von einem bösen Geist besessen, der ihn so lange peinigte, bis er alles Geraubte und noch mehr darüber hinaus heraus­gab. Seine Leiche blieb 70 Jahre unvermodert, doch als man den Bann löste, zerfiel sein Körper sofort zu Asche.“

Zwischen den Verdener und Bremer Bischöfen entstanden Streitigkeiten; denn der Verdener Bischof stellte Ansprüche auf das Ramelsloher Kloster, da das Land auf dem Gebiet der Diözese Verden lag. Nach neueren Forschungen stellt sich heraus, dass bei den Streitigkeiten 1010 einige Urkunden nach­träglich angefertigt und gefälscht worden sind.

Mit diesen Urkunden, von denen man eine Ludwig dem Deut­schen, die andere Papst Nikolaus I. zugeschrieben hatte, be­hauptete der Verdener Bischof beim Papst in Rom sein Recht; doch Papst Sergius sprach das Kloster Bremen zu.

Auf dem Reichstag zu Goslar im Jahre 1049 machte der Bre­mer Kirchenfürst Adalbert den Vorschlag, 12 neue Bistümer zu errichten, unter denen auch Ramelsloh erwähnt wurde. Doch dieser Vorschlag scheiterte am Widerspruch des Papstes, und Ramelsloh wurde kein Bischofssitz.

Das Kloster war sehr angesehen; denn im Jahre 1144 war nach hier ein Fürstentag einberufen worden, der über die Erb­folge in der Grafschaft Stade beschließen sollte. Hierzu waren erschienen: Bischof Ditmar von Verden, Markgraf Albrecht der Bär, Hermann von Winzenburg, sein Bruder Heinrich und noch viele Edle. Die Verhandlungen wurden ge­führt einerseits von dem Erzbischof Adalbert II. und dem Probst Hartwich von Brernen, andererseits von den Gesandten Heinrichs des Löwen. Es entstanden Streitigkeiten über die Erbfolge. Die Vasallen Heinrichs des Löwen griffen zu den Waffen und entführten Adalbert II. nach dem Bergschloß zu Lüneburg, während der Probst Hartwich von Bremen von dem Grafen Hermann von Lüchow gefangengenommen und dem Markgrafen Albrecht dem Bären ausgeliefert wurde. Doch beide Gefangenen wurden bald wieder entlassen. Die Graf­schaft Stade nahm Heinrich der Löwe, in Besitz.

Damals wurden solche Fürstentage im Freien abgehalten, und man nimmt an, daß der Versammlungsort in der heutigen Flurbezeichnung Dinghorn = Gerichtsplatz zu erkennen ist.

Im Jahre 1230 wurde ausdrücklich beschlossen und in Ur­kunden bestätigt, dass der Probst des Ramelsloher Stiftes nur aus der Mitte der Bremer Domherren gewählt werden durfte. Bei allen Verhandlungen traten die Mönche als Zeu­gen auf.

Die Holzkirche aus der Zeit Ansgars war baufällig geworden, und man musste sie ausbessern. Das Chorende wurde abge­rissen und durch einen Backsteinbau ersetzt. Der Chor ist heute noch erhalten, aber schon sehr ausgebessert und teil­weise überbaut. Wahrscheinlich wurde auch damals der alte Glockenturm errichtet, der bis heute noch gut erhalten ist. Die Forschungen nach dem Alter des Turmes sind noch nicht abgeschlossen.

Um das Kloster herum hatten die Domherren ihre Höfe und Güter, die aus Ländereien, Wiesen und Zehnten bestanden; denn außer der Klostergemeinde gab es auch noch ein Dorf Ramelsloh, das dem Kloster zinspflichtig war. Die Entstehung des Dorfes ist zurückzuführen auf die beim Kloster Beschäftig­ten; denn vorher ist niemals von einem Dorf Ramelsloh die Rede gewesen. Ramelsloh hatte zwar ein eigenes Gericht; es galt aber nur für die Stiftsgenossen.

Am 27. Juni 1529 kam Herzog Ernst der Bekenner nach Ra­melsloh, um die Reformation einzuführen. Er forderte die Übergabe des Klosterinventars (Bücher, Kelche, Siegel usw.). Da aber die Domherren sich weigerten, ließ Herzog Ernst Pastor Wolder aus Sinstorf und den Amtsschreiber Johann Töbing aus Winsen in Ramelsloh zurück. Sie verlangten die genaue Angabe der feststehenden Güter von den Domherren. Nachdem sie sich zwei Tage geweigert hatten, machten Dekan Burkhard Koch sen, (Bernhard Kocke) Albert Vahrenholz und der Domherr Conrad Schevenhagen ihre genauen Angaben. (Die Urkunden lagen im Staatsarchiv in Hannover.) Die Domherren wurden evangelisch-lutherisch und blieben der guten Einkünfte wegen in Ramelsloh, doch die Mönche ver­ließen in der Nacht das Kloster. 10 Güter der Domherren gin­gen an die Klosterkammer, die noch heute die Kirche und die 1. Schulstelle erhalten muss.

Im 16. Jahrhundert wurde unter Kaiser Karl V. das Stift sehr verwüstet. Merian schreibt in seiner Topographie:

„Es (das Stift) ist aber etliche hundert Jahr hernach theils von selbst / und gleichsam Alters halber in Abgang kommen/ mehrentheils aber von den kriegenden Partheyen/welche bey Zeiten Kaiser Carlen des Fünften aus dem Erzstift Bremen/ und von der Weser her den Krieg geführet haben / dass die damaligen Domherrn den Ort gar verlassen / und was kost­bar bey dem Stift gewesen ist / demselben entwendet ha­ben. Das Gebäu der Domkirchen / welches damals noch bestehen blieben / ist Anno 1601 bey gutem stillen Wetter und Sonnenschein / mehrentheils eingefallen / und nach et­lichen Jahren zum Theil wieder aufgebaut.“

 Aus dem Anzeigenblatt „Elbe und Geest“ aus dem Jahre 1967

Kalenderbild: Probst

IPR

 

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