NATO – Depot in Ramelsloh 1987

neues zum NATO-Depot Ramelsloh

Schwerter zu Pflugscharen?!

Gerd Schneidereit

Bei Ramelsloh in Niedersachsen wurde 1987 ein „vorgeschobenes Nachschubdepot“ für die Vorneverteidigung der niederländischen NATO-Streitkräfte errichtet. Dafür war ein Treibstofflager geplant, dass die seit 1982 bestehende Friedensinitiative durch Erwerb von Miteigentum an einem Sperrgrundstück verhindern konnte. Das Munitionsdepot mit 16 Bunkern und Wachgebäude stand 1999 per Zeitungsanzeige zum Verkauf. Die Friedensinitiative Ramelsloh legte der Bundesrepublik ein Angebot vor, Schwerter zu Pflugscharen umzuschmieden.

Wir konkretisierten die bestechende Möglichkeit, eine Militäranlage in ein Informations- und Begegnungszentrum für die Friedensbewegung umzugestalten, als Beispiel einer vollkommenen Konversion. So eine Umwandlung von Rüstung in zivile Nutzung wurde schon oft versprochen, vielleicht würde es von der neuen Bundesregierung eingehalten. Unser Konzept sah nicht nur irgendeine zivile Nutzung vor, sondern das Gegenteil des bisherigen. Mit einem beispielhaften friedenspolitischen Denkmal-Ensemble wäre es möglich gewesen, Abrüstungswillen anschaulich zu dokumentieren. Wir hatten uns keine Illusionen gemacht, boten wir doch nur symbolisch eine Deutsche Mark. Aber der Bund behielt sich die Entscheidung für eine Verwendung unabhängig von der Höhe des Gebotes ausdrücklich vor. Unser Angebot war also durchaus nicht aussichtslos. Der Bund lehnte ab. Nach einem Pressebericht, soll ein Verkauf an Privat erfolgt sein. Dies wurde uns nicht bestätigt. Im Mai 2000 sind noch Schilder angebracht, mit der Aufschrift: Betreten des Grundstücks verboten! Bundesvermögensverwaltung.

Was war geschehen und wie geht es weiter?

Kein NATO-Depot in Ramelsloh und anderswo. So hallte es Mitte der 80er Jahre durch die alte Bundesrepublik. Mit Landkauf der alltäglichen Aufrüstung durch neue Militäranlagen Einhalt zu gebieten und der Friedensbewegung an vielen kleinen Orten Gehör zu verschaffen, war das politisch übergeordnete Ziel. Es wurde erreicht. Gründe für unser Handeln gab es viele. Es sei nur hervorgehoben, dass „vorbeugende tiefe Schläge in das Hinterland des Gegners“ vorgesehen waren. Viele lokale Friedensinitiativen übernahmen das Landkauf-Modell. Mit weltweit etwa 500 Miteigentümern, darunter die Nobelpreisträger Wald (USA) und Gorbatschow (Russland), gelang es uns, dem Militär den Zugriff auf den „Friedenswald“ zu verwehren. Das Militär sprach vom nicht hinzunehmenden „Ramelsloher Loch“ in der NATO-Strategie, die insgesamt gefährdet sei, und beantragte eine vorzeitige Besitzeinweisung für unseren Friedenswald. Anstatt des geplanten Treibstofflagers im brandgefährdeten Kiefernwald entstand unser „Friedenslehrpfad“. Leider gelang es nicht, das Munitionsdepot zu verhindern. Trotzdem machten wir unbeirrt weiter. Da gab es Friedensfeste, Demos und Ostermärsche. Es reichte über Bedenken-Anmelde-Aktionen bei Behörden bis zu Petitionen mit über tausend Unterschriften und Anfragen im Land- und Bundestag. Veranstaltungen mit Militärs, Politikern und Friedensforschern wurden durchgeführt, Ausstellungen und Info-Tische organisiert.

Lehrer führten mit ihren Schulklassen Projektwochen als Beispiel praktizierter politischer Willensbildung durch. Internationale Jugendgruppen aus West und Ost waren in Ramelsloh zu Gast. Durch Öffentlichkeitsarbeit wurde nicht nur in der Lokalpresse, sondern auch in bundesweiten und ausländischen Publikationen, Rundfunk und Fernsehen über uns berichtet. Eine extra aus unseren Reihen gegründete Partei erhielt bei einer Kommunalwahl mehr Stimmen als etablierte Parteien. Schließlich gab man 1990 das gegen uns eingeleitete Enteignungsverfahren auf. Die weltweite „Gesellschaft Friedensland“ blieb bestehen.

Die niederländische Truppe zog 1998 ab. Fragen an Kandidaten der Bundestagswahl, was mit dem geräumten Depot geschehen solle, blieben unbeantwortet. Die rechtliche Lage und die weitere Verwendung erscheint noch heute unklar. Wenn der Bund durch Aufhebung seiner Standortentscheidung endgültig auf eine militärische Nutzung verzichten würde, hätten wir wirklich Grund zum Feiern. Dann könnte die Gesellschaft aufgelöst und der Friedenswald vollständig an den Bauern zurückgegeben werden. Nur gemeinsam mit ihm haben wir bewirken können, dass nicht auch noch ein Treibstofflager mit doppeltem Verlust für den Steuerzahler verschleudert werden musste. Dieses Schwert konnte gar nicht erst geschmiedet werden. Der Friedenswald wurde durchforstet und standortgerechter Mischwald angepflanzt. Unsere Hinweistafeln sind mit den Jahren marode geworden und deswegen wurde jetzt ein Findling gesetzt, der noch beschriftet werden soll. Was dauerhafter sein wird, skandinavischer Granit oder Stahlbeton, werden Nachgeborene ermessen können. Der Bund behält in jedem Fall die Verantwortung für seine Hinterlassenschaften.

Gerd Schneidereit

Bericht stammt aus der HAN

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